Kurz gedacht: Über Verbloggung und Verblödung

24. September 2015 Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Von Montag bis heute hat in Fulda die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz stattgefunden. Natürlich gab es zum Abschluss auch eine Pressekonferenz, an der u. a. der Vorsitzende der DBK, Kardinal Marx, teilgenommen hat. Dort wurde ihm die Frage gestellt, wie die Deutschen Bischöfe mit dem innerkatholischen Fundamentalismus umzugehen gedenken. Die Antwort der Münchner Erzbischofs darauf ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert – deswegen möchte ich heute drei kurze Anmerkungen zur Aussage Reinhard Marx‘ machen.


Von der Frage und der entsprechenden Antwort gibt es einen Video-Mitschnitt von katholisch.de, den ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:

Der Vollständigkeit halber sei das im Mitschnitt gesprochene Wort noch einmal niedergeschrieben:

Frage: „Werden Sie auch seitens der Deutschen Bischofskonferenz entschiedener gegen innerkirchliche Fundamentalisten vorgehen, wie sie zum Beispiel bei solchen Seiten wie katholisches.info oder anderen Bereichen sich austoben? Es wird ja immer so getan, dass es nur im Islam Fundamentalismus gibt; beide christlichen Kirchen kennen den nun ja auch – in allen möglichen Formen.“

Antwort Kard. Marx: „Also, über das Letzte kann ich gar nichts sagen; das waren alles für mich neue Begriffe, die Sie da genannt haben… Ich kenne das nicht… diese Blogs oder was… Vielleicht ist das nicht richtig, aber ich… das lasse ich gar nicht an mich heran. Es ist vielleicht ein Fehler, aber ich weiß nicht, ich tue das nicht.

Das ist eine, ich will das mal eben sagen, eine generelle Gefährdung. Ich habe ja früher gedacht, ich habe das auch schon einmal gesagt, wenn alle mit allen über alles reden, das wird den Diskurs verlebendigen und intensivieren. Aber ich muss sagen: das Gegenteil ist eingetreten. Diese Verbloggung führt auch zu Verblödung – und dass sich Szenen untereinander bestätigen und hochjubeln aber nicht argumentativ in einen Diskurs eintreten mit Andersdenkenden, das ist es, was ich wahrnehme, und deswegen ist das für mich relativ uninteressant. Ich bin eher diskussionsfreudig, möchte Austausch, möchte lebendige Begegnung und nicht einfach nur Beschwörungen oder Verschwörungen oder Verschwörungsbedrohungen oder ich weiß nicht, was alles. Das geht durch die Jahrhunderte hindurch und findet durch diese Internetkultur ein richtiges Schwungrad, wo das losgeht.

Man kann sich den ganzen Tag damit beschäftigen, glaube ich. Das tun auch einige und meinen, das sei die Welt, das sei die Welt! Gott sei Dank, ist es noch (!) nicht die Welt. Also, insofern weiß ich nicht, ob wir als Bischofskonferenz uns mit diesen Portalen und Blogs beschäftigen sollen. Gut… ich beauftrage das Sekretariat, das mal im Auge zu behalten [Gelächter im Raum; Anm.] und die Szene zu beobachten und der Herr Kopp [Matthias Kopp, Pressesprecher der DBK; Anm.] macht das auch.

Also… es gibt diese Gefährdung, aber das Christentum hat in seinem Gründer ein so starkes Korrektiv, unüberbietbar. Also, wer kann sich denn auf Jesus von Nazareth berufen und einen anderen Menschen erniedrigen? Wer kann das tun?! Niemand kann das tun! Da muss doch jeder seinen klaren Kopf behalten und sagen: ‚Du kannst zwar vielleicht ein intelligenter Mensch sein, aber ein Christ bist du nicht.‘ So ist das halt. Wir haben klare Linien, wo die Grenze ist.“

(Anmerkung: Das Gespräch habe ich für diese Transkription grammatikalisch „korrigiert“; der Inhalt der Aussagen bleibt davon natürlich unberührt.)

Nun also zu den Anmerkungen, die ich angesichts dieses Videos in den Raum stellen möchte:

1. Ich komme nicht umhin, in den Aussagen des Kardinals eine gewisse Doppeldeutigkeit feststellen zu müssen. Zunächst ist er von der Frage des Journalisten ganz offensichtlich überrascht, um dann – diese Ehrlichkeit muss man ihm zugestehen – zuzugeben, dass er über das Web 2.0 im Allgemeinen sowie über Blogs und Internetplattformen im Spezifischen kaum etwas weiß und dass ihn das Thema nicht wirklich interessiert. Diese Aussage ist übrigens insofern beachtlich, als dass es erst bei der Frühjahrsvollversammlung der DBK im Februar einen Thementag zu „Social Media“ gegeben hat.

Obwohl er zuvor also zugegeben hat, dass seine Kompetenzen andere sind, gibt Marx dennoch eine Antwort auf die Frage: Die Szene ist also als „generelle Gefährdung“ zu betrachten, weil sie sich überhaupt nicht auf einen argumentativen Diskurs mit Andersdenkenden einlässt. So weit, so richtig. Warum aber sollte diese ‚Szene‘ der Deutschen Bischofskonferenz dann mehr oder minder egal sein? Immerhin sind bestimmte Portale der ‚Szene‘ für das Bild der katholischen Kirche im Internet prägend (mehr dazu unter 3.)! Auch wenn sich Marx am Schluss mit der Breite der christlichen Gesellschaft zu verteidigen versucht, verstehe ich nicht, warum er – obschon er das Problem erkannt zu haben scheint – die Situation im Grunde ignoriert!

2. Im Grunde ist Kardinal Marx in seiner Antwort sehr oberflächlich geblieben. Konkrete Blogs oder Internetportale wurden nicht genannt – etwas anderes ist angesichts der Tatsache, dass Blogs nicht zu seinem Metier zählen, auch nicht zu erwarten gewesen. Gerade deswegen ist aber interessant, wer sich von dem Video angesprochen fühlt. Reaktionen habe ich auf den folgenden Seiten gefunden:
katholon.de
kreuzknappe.blogspot.de
jobo72.wordpress.com
glaubenserfahrung.blogspot.de
kikreukreu.blogspot.de

Allesamt Bloggerkollegen, die dem konservativen Spektrum angehören (Herr Niebecker, der den zuletzt genannten Blog betreibt, ist als einziger unter den genannten, so schätze ich ihn aufgrund seiner Beiträge ein, wohl als erz-erz-konservativ einzuordnen). Aus der liberaleren Ecke habe ich bisher keine Kritik an der Einschätzung des DBK-Vorsitzenden wahrgenommen. Diese Erkenntnis führt sogleich zur letzten Anmerkung.

3. Tatsache ist, dass der ‚deutsche‘ Katholizismus im Internet von einer stark konservativen Szene geprägt ist (hier habe ich schon einmal etwas dazu geschrieben). Fragt man Menschen auf der Straße, ob sie Internetseiten mit katholischem Schwerpunkt kennen, werden – wenn denn überhaupt – Seiten wie kath.net, katholisches.info oder gloria.tv genannt (früher wäre kreuz.net ein fester Bestandteil dieser Aufzählung gewesen). Alle diese Portale sind zumindest erzkonservativ, haben teilweise aber auch eine rechtsradikale, antidemokratische Ausrichtung.

Wenn sich Kardinal Marx also kritisch über diese ‚Szene‘ äußert, dann kann man ihm, so denke ich, trotz seiner Unkenntnis glauben, dass er tatsächlich nur fundamentalistische Seiten meint. Ich denke deswegen, dass die Kritik am Erzbischof aus den konservativen Reihen etwas übertrieben ist. Gleichwohl wird man eingestehen müssen, dass der „Ton“ in den konservativen Kreisen tatsächlich als ziemlich rau bezeichnet werden kann – ein Punkt, an den man meines Erachtens wird herantreten müssen.

Fassen wir zusammen: Die Antwort von Kardinal Marx offenbart die Ahnungslosigkeit der Deutschen Bischofskonferenz in Sachen Internet – in der heutigen Zeit ist dies schlichtweg fatal! Unabhängig davon ist die Kritik an fundamentalistischen Seiten und Portalen, die sich mit dem Titel „katholisch“ schmücken, als richtig zu bezeichnen. Dieser Einsicht müssen nun aber auch endlich konkrete, z. B. rechtliche Schritte folgen. Die Reaktionen der konservativen Bloggerkollegen zeigen zuletzt eines: Auch wenn es so scheint, ist man nicht immer angesprochen!

Nachtrag, 25.09.:

Unter 2. habe ich nur Blogs genannt, die die Aussage von Kardinal Marx kritisch rezipiert haben. Es gibt aber auch im konservativen Spektrum Bloggerkollegen, die neutraler auf die Nachricht reagieren:
Pro spe salutis

Natürlich gehört auch ein Beitrag, der meine These (in diesem Fall) nicht stützt, auch in diese Aufzählung. Ich habe ihn gestern leider nicht mehr vernommen; sonst hätte ich ihn selbstverständlich bereits genannt. Ich bitte euch deswegen um Nachsicht!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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4 Kommentare zu „Kurz gedacht: Über Verbloggung und Verblödung“

  1. Dass der "deutsche Katholizismus im Internet" durch "konservative" Angebote wie kath.net, gloria.tv (gloria.net gibt es nicht) oder katholisches.info geprägt wird, bezweifele ich. Wenn man auf der Straße eine Umfrage starten würde, würde kaum jemand zumindest eines dieser Angebote überhaupt kennen. Er würde vielleicht auf die Angebote der offiziellen Kirche (Bistumsseiten) oder auf katholisch.de verwiesen werden. Ich glaube auch, dass es außer den konservativen Blogs, zu denen Matija Vudja auch mein Blog rechnet, auch eine Vielzahl von katholischen Internetseiten "liberaleren" Inhalts gibt. Zum Beispiel mag zu ihnen auch dieses Blog gehören. Auch solche Blogs und Seiten darf man nicht einfach unter dem Teppich kehren. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Vielfalt katholischer Internetseiten gar nicht wahrgenommen wird. Wie es auch eine Vielfalt von Strömungen in unserer universalen Kirche gibt. Und dass einige Leute eine angebliche fundamentalistische Gefahr durch das Internet beschwören. Bei allem Respekt, selbst Kreuz.net versammelte nur eine Klientel, die für solche Verschwörungstheorien offen sind. Medial haben katholische Blogs und Angebote weit weniger Relevanz, als manche behaupten.

  2. Lieber Herr Rosenbaum,

    meine Aussage über die "prägenden" Portale ist nicht vollständig aus der Luft gegriffen; sie beruht auf einer kleinen Umfrage, die ich vor einigen Monaten an meiner Universität durchgeführt habe (zugegeben: sie war nicht repräsentativ). Das ist auch mein persönlicher Eindruck, wenn ich mich mit Freunden und Bekannten über das Thema "Internet und Kirche" unterhalte. Das muss aber natürlich nicht überall so sein, da haben Sie Recht.

    Dass die Blogsospäre so viele Strömungen hat wie die Kirche selbst, streite ich überhaupt nicht ab; im Gegenteil: ich bin vor längerer Zeit hier im Blog selbst einmal darauf eingegangen. Ich wollte nur die Beobachtung dokumentieren, dass die Reaktion auf Kard. Marx hauptsächlich aus dem konservativen Lager kam und zudem eindeutig kritisch war. Wobei ich in dieser Hinsicht ja bereits ein wenig widerlegt worden bin (siehe den Kommentar von Martin Figge).

    Ein Letztes: Ich möchte Sie mit der Bezeichnung "konservativer Blogger" keineswegs diskreditieren (ich habe aus Ihrem Kommentar den Eindruck, dass Sie damit nicht ganz glücklich sind). Ich verfolge keineswegs die Absicht, Begriffe wie "konservativ" oder "liberal" in abwertender Weise zu gebrauchen, zumal die Begriffe nicht eindeutig definiert sind (Anmerkung am Rande: ich betrachte mich in vielerlei Hinsicht selbst als konservativ).

    Herzliche Grüße
    Matija Vudjan

    P.S.: Ich habe gloria.net zu gloria.tv geändert. Vielen Dank für den Hinweis.

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