Kurz gedacht: Über die Verantwortung, zuzuhören und zu erinnern

27. Januar 2015 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Heute jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zum 70. Mal. Unsere Gesellschaft hat heute noch das Privileg, diesen Gedenktag zusammen mit Zeitzeugen zu begehen. Gerade im Hinblick auf die (vielleicht schon nahe) Zukunft und auf Statistiken, die vor einigen Tagen veröffentlicht wurden, erachte ich dies als besonders wichtig. Ein paar kurze Gedankenfetzen:

Der Eingang zum KZ Auschwitz nach der Befreiung.
Foto: Bundesarchiv, B 285 Bild-04413 / Stanislaw Mucha Lizenz: CC BY-SA 3.0
  • 6 Millionen Juden wurden von den Nazis ermordet, darunter 1,5 Millionen Kinder.
  • Mehr als 1,1 Millionen Menschen wurden von 1942-1945 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet; neben Juden u. a. auch Sinti und Roma, Polen, sowjetische Kriegsgefangene, politische Häftlinge und Homosexuelle.

Auschwitz ist ein Ort, der an das Böse schlechthin erinnert. Auschwitz ist ein Ort, der (zusammen mit den anderen Konzentrationslagern) verdeutlicht, welches Ausmaß das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit hatte. Auschwitz ist ein Ort, der die Gesellschaft ermahnt, dass ein solches Verbrechen nie wieder geschehen darf.

21 Prozent der unter 30-jährigen – also mehr als ein Fünftel (!) – können laut einer aktuellen Umfrage des „Stern“ heute mit dem Begriff ‚Auschwitz‘ nichts anfangen. Der Umfrage zufolge weiß mehr als ein Drittel der Deutschen heute nicht, dass Auschwitz in Polen liegt. Gleichzeitig wollen sich heute nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 58 Prozent der Deutschen nicht länger mit dem Holocaust befassen; 81 Prozent wollen demnach auch die Geschichte der Judenverfolgung hinter sich lassen.

Genau das kann und darf nicht der richtige Weg sein! Ich kann es verstehen, wenn man hierzulande sagt, dass man nicht mehr vorgeworfen bekommen möchte, man trage als Deutscher eine Kollektivschuld an den Verbrechen der Nationalsozialisten – das halte ich, theologisch gedacht, grundsätzlich für einen schwierigen Gedankengang (wie nämlich soll Schuld – oder theologisch gesprochen: Sünde – vererbbar sein?). Das bedeutet aber keineswegs, dass das Deutsche Volk keine Verantwortung für die Verbrechen trägt, die sich von 1933 bis 1945 – im Namen des Deutschen Volkes, dessen muss man sich bewusst werden – ereignet haben.

Die Überlebenden von Auschwitz sind Zeitzeugen, die das Unerfahrbare erfahren haben. Sie sprechen seit Jahren und insbesondere in diesen Tagen des Gedenkens aus, was unaussprechlich ist. Sie haben am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, dem Verbrechen in Gesicht zu schauen. Schon ihnen gegenüber tragen wir die Verantwortung, dass die Grausamkeit der Nationalsozialisten nie vergessen werden wird, dass sie sich nie wiederholen wird.

Wenn wir den Überlebenden von Auschwitz dabei zuhören, wie sie das Unaussprechliche zur Sprache bringen, hören wir auch in ihre Seelen hinein, die – angesichts der Erinnerungen – von Traumata erfüllt sind. Dieses Hören lässt uns unserer Verantwortung noch bewusster werden. Schon sehr bald werden wir über dieses Privileg nicht mehr verfügen. Umso mehr und umso intensiver müssen wir den Zeitzeugen zuhören, solange wir noch die Möglichkeit dazu haben. Wenn eines Tages der oder die letzte Überlebende verstorben sein wird, wird unsere Verantwortung nämlich nicht schwinden. Im Gegenteil: Sie wird umso größer werden!

Damit so etwas Furchtbares nie wieder geschieht!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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