Polarisieren für die Theologie

2. März 2014 Theologie
von Matija Vudjan
Erwartungsgemäß hat Papst Franziskus gestern das Rücktrittsgesuch des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner angenommen. Man kann es anders gar nicht sagen: nach 25 Jahren ist damit eine Ära zu Ende gegangen. Nach 25 Jahren kann man aber auch resumieren: Kaum ein Bischof in Deutschland hat wohl so sehr polarisiert wie Meisner. Ich möchte dennoch – oder gerade deswegen – die These aufstellen, dass kaum jemand so sehr verstanden hat, was überhaupt Theologie in der heutigen Gesellschaft ist.

Meisner ist nicht mehr Kölner Erzbischof.
Foto: Teil v. Bobolus/Wikipedia; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auch ich habe mich schon des Öfteren mit dem ehemaligen Kölner Erzbischof befaast – viele seiner Thesen habe ich in der jeweiligen Diskussion befürwortet (z. B. hier), manchen wiederum konnte ich nicht zustimmen (siehe hier). Angesichts dieser beiden polarisierenden Beispiele bin ich der Auffassung, dass Meisner im Gegensatz zu vielen anderen Bischöfen und Theologen unserer Zeit verstanden hat, was genau Theologie ist. Er hat seine Erkenntnis in seinem öffentlichen Handeln angewandt und so viele Menschen näher an die Theologie gebracht.

Was genau ist „Theologie“?

Meine These mag zunächst (wegen der Biographie Meisners bzw. der Reaktionen vieler Menschen auf seine Aussagen) unplausibel wirken. Um den Sinn meiner Aussage zu klären, möchte ich deswegen zunächst mit dem Begriff der „Theologie“ beginnen. Theo-logie ist ein Kompositum aus den zwei griechischen Wörtern θεός (theos), das „Gott“ heißt und λόγος (logos), das in der Grundbedeutung „Wort“ heißt, aber auch mit „Rede“ übersetzt werden kann. Theo-logie ist also Rede von oder Rede über Gott.

Ich habe ja bereits geschrieben, dass Meisner mit seinen Thesen inhaltlich immer wieder polarisiert hat. Ebenso hat er aber auch immer wieder zwischen Grundsatzdiskussion und Theologie polarisiert. Bekanntlich wurden viele Diskussionen, die sich infolge von Aussagen Meisners entwickelten, nicht auf einer inhaltlichen Ebene geführt, sondern drehten sich oftmals um die Frage, ob ein Katholischer Bischof die jeweils getroffene Aussage überhaupt tätigen könne – was sich in den meisten Fällen auch zu einer grundsätzlichen Diskussion über die Katholische Kirche im Allgemeinen und ihre Rolle in der Gesellschaft entwickelte.

Man konnte die Aussagen Meisners aber immer auch rein inhaltlich, also von seiner Person getrennt verstehen. Rein inhaltlich bedeutet in diesem Zusammenhang, sich die reine Argumentation anzuschauen und sich mit dieser auseinanderzusetzen. Ein kleines Beispiel: Viele Menschen kritisierten den Kölner Erzbischof einst, als er den immer größeren Hang zu Abtreibungen in unserer Gesellschaft mit dem Holocaust verglich. In Bezug auf die äußere Hülle der Aussage schließe ich mich der Kritik an. Aber: Betrachte ich den inhaltlichen Kern der Äußerung, dass Abtreibungen Mord sind, dann kann ich Meisner als gläubiger und überzeugter Katholik, für den der Einsatz für jedes Leben oberste Priorität hat, nur zustimmen.

Von der Hülle zum Kern

Geht man von der Hülle in den Kern der Aussage hinein, so befasst man sich also intensiv mit Theologie. Anders gesagt: man betreibt intensiv Theologie. Joachim Meisner, der aus einfachen Verhältnissen stammt und seine Herkunft nie geleugnet hat, hat mit seiner einfachen Sprache, die ihn von den meisten seiner Bischofskollegen in Deutschland, die oft eine akademische Laufbahn durchlaufen haben, unterscheidet. Auch wenn seine einfache, direkte, ja oft unüberlegte Sprache viele Menschen vergrault hat, hat sie genauso viele Menschen dazu gebracht, sich intensiv mit Theologie zu beschäftigen. Das Opfer ist zweifelsfrei ein großes, aber der Verdienst der Kardinals ist hier mindestens genauso groß. Dafür gebührt Joachim Meisner mein größter Respekt.

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass dieser Weg in Köln fortgesetzt wird, dass also ein Mensch der einfachen Worte neuer Erzbischof zu Köln wird. Jemand, der mit seiner Sprache vielleicht nicht so sehr polarisiert wie Meisner, aber jemand, der seine Worte dazu nutzen wird, die Menschen dazu zu animieren, sich intensiver mit Theologie zu befassen und selbst zu Theologen zu werden.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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2 Kommentare zu „Polarisieren für die Theologie“

  1. Hallo durchgedacht, sehr differenzierte Sicht von Person und Wirken Meisners. – Einige Gedanken zu Deinen Stichworten:
    – polarisieren: Der erste, der das in unserer Religion getan hat, war der Herr selbst. Glauben oder Unglauben. Entweder – oder. Siehe heutiges Sonntagsev. kein Diener zweier Herren ect. Wenn das nicht mehr verkündigt wird, hat es nichts mit dem Evangelium zu tun. – Meisner hat's getan!

    – Die 'Opfer' hätte es mit oder ohne Meisner gegeben. Die Leute suchen in den Skandalen, Fehlern der Kirche und deren Amtsträgern immer nur Entschuldigungen und Ausflüchte, um ihr eigenes Nichtglauben zu rechtfertigen. Wer versucht, sich mit dem Ev. auseinanderzusetzen, wird bald erkennen, daß es nicht um Meisner, Papst, Pille etc. geht, sondern darum, ob es stimmt, was Jesus sagt. Wer mir nachfolgt, wird nicht im Dunkeln gehen. – Aber die meisten Menschen scheuen das Licht.
    – Theologie: viel Eitelkeit und Hochmut habe ich da gefunden, als ich's selbst studiert habe. Habe viel Studenten erlebt, die im Lauf des Studiums in einen 'aufgeklärten' Glauben abgerutscht sind. Man muß sich gute Wegzehrung mitnehmen, um das zu überleben: Ratzinger, Guardini, die großen geistlichen Schriftsteller. Dann aber kann das Studium fruchtbar werden – als das Bemühen, den Glauben vor der Vernunft zu verantworten und Gott (theos) zu künden (logein), vom Glauben ausgehend zum Glauben zurückführend. – Heutige Theologie kreist um sich selbst, eigenes Sprachspiel, keinerlei Außenwirkung (nur in katholischen Akademien mit 70plus-Teilnehmern).
    Meisner und aktive Theologie: Meisner war kein Theologe. Er war ein (Volks-)prediger. Er wollte aus dem Herzen zu den Herzen sprechen. Und so direkten Einfluß auf die Gestaltung unserer Gesellschaft nehmen. Wenn er aktive Theologie ermöglicht hat, dann dadurch – so sagst Du es ja – daß er zum Nach-Denken angeregt, also stimuliert hat, z.B. bestimmte Glaubenspositionen wieder mal in theologischen Werken zu überprüfen, nachzulesen. Neue theologische Ansätze etc. findet man ja nicht bei ihm. – Aber wie gesagt. Durch Meisner hat sich Spannung aufgebaut, Elektrizität sozusagen. Der Strom konnte fließen, weil Polarität (plus/minus) da war. Und wenn der Strom fließt, dann sieht vieles differenzierter aus, d.h., daß es zwischen plus und minus mehr gibt als man denkt. – Gruß. U. (siehe Blogozese unter WINDLICHT)

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