„Transparenz“ ist das Stichwort

1. März 2014 Ethik, Gesellschaft
von Matija Vudjan
Vorgestern wurde die „Causa Wulff“ aus juristischer Sicht endgültig beendet. Der Bundespräsident a. D. Christian Wulff ist von der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Hannover von der Anklage der Korruption freigesprochen worden. Wulffs Rücktritt vor inzwischen zwei Jahren mag dadurch aus rechtlicher Sicht unnötig sein; aus politischen und vor allem moralischen Aspekten ist er jedoch auch nach dem Urteil die einzige Option.

Wulff ist nur juristisch rehabilitiert – nicht aber moralisch.
Foto: A. Bennett/Flickr; Lizenz: CC BY-NC 2.0

Faktisch zeichnete sich ja schon im frühen Stadium der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft ab, dass die Vorwürfe gegen den Altbundespräsident nicht wirklich haltbar seien. So wurde die engültige Anklage nur wegen der Übernahme der Kosten in Höhe 720€ während des Oktoberfestes 2008 formuliert.

Was sind 720€? Eine Lappalie oder eine Unachtsamkeit. Aber sicherlich nichts, das zwei Jahre lange Ermittlungen samt Gerichtsprozess erfordert hätte. Auch wenn die Staatsanwaltschaft (durch den immensen Druck von Öffentlichkeit und Medien) aufzeigen wollte, dass vor Deutschen Gerichten alle Menschen gleich sind, ist dieses Vorhaben eindeutig gescheitert, da es in übertriebener Weise verfolgt wurde (seien wir ehrlich: welcher normale Bürger würde für 720€ solch einen Prozess bekommen?). Ich bin deswegen wirklich froh, dass der Altbundespräsident einen Freispruch erster Klasse erhalten hat.

„Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig.“

Juristisch ist die „Causa Wulff“ also ad acta gelegt. Denn auch zwei Jahre nach dem Rücktritt des zehnten Bundespräsidenten sowie der jetzt erfolgten juristischen Bereinigung aller Vorwürfe bleibt die Erinnerung daran, dass Wulff vor allem am Ende seiner Amtszeit nicht eines Bundespräsidenten würdig gehandelt hat.

Auslöser der gesamten Affäre war ja der Privatkredit, den Wulff von Edith Geerkens bekam, als er selbst noch Ministerpräsident von Niedersachsen war. Der Privatkredit stellte sich als rechtens heraus (auch wenn er wohl unter dubiosen komischen Umständen entstand); was blieb – und bleibenden Eindruck hinterließ, war allerdings der Umgang Wulffs mit Medien und Öffentlichkeit. Ich persönlich erinnere mich, wenn ich an Wulff als Präsidenten denke, immer wieder an die Salamitaktik: Alles wird so lange bestritten, bis es nicht eindeutig nachgewiesen ist. Sobald dies geschehen ist, wird eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben und Besserung versprochen.

Genau so hat es auch unser Altbundespräsident mehrfach getan: zuerst, als es um den Privatkredit ging, später dann, als Vorwürfe bekannt wurden, dass er sich von Freunden aus Film und Wirtschaft (vor allem David Groenewold und Carsten Maschmeyer) verschiedene Auftritte vergüten ließ und sich dafür für diese besonders eingesetzt habe. Der Bekannteste Satz, den Wulff nach Beweis dieser Geschehnisse zur Rechtfertigung benutzte, ist wohl: „Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig.“

All dies führte – verbunden mit der Tatsache, dass Wulff zu Beginn (oder noch vor) der Affäre im direkten Kontakt mit den Medien eher unbedacht handelte (der Bild-Zeitung erklärte er bekanntlich den Krieg) – dazu, dass der Bundespräsident nicht mehr das sein konnte, was das Grundlegende an seinem Amt ist: moralisches Vorbild und Instanz für die deutschen Bürger. Deswegen war sein Rücktritt vor zwei Jahren überfällig und ist heute immer noch richtig.

Was wir aus der Causa Wulff lernen können

„Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig.“ Politiker – vor allem in solch „hoher Funktion“ – müssen sich dessen bewusst werden, dass sie einerseits Vorbilder für die Gesellschaft sind und andererseits vor dieser möglichst keine Geheimnisse haben sollten. Insofern muss ein Politiker – oder jede Persön, die in der Öffentlichkeit steht – in gewisser Weise transparent sein. Nicht in dem Sinne, dass man seine ganze Privatsphäre aufgibt (damit würde man ja seine gesamte Identität aufgeben; siehe hier). Aber insofern, dass man von Anfang an offen dazu steht, Fehler begangen zu haben – und dies nicht zunächst abstreitet, um es später kleinlaut zuzugeben. Solch eine Taktik hätte nicht nur Wulff vor zwei Jahren gut getan, sondern auch der damaligen Bundesregierung im Zuge der NSA-Affäre oder momentan dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann in der Edathy-Affäre. Und auch Franz-Peter Tebartz-van Elst wäre wohl gut beraten gewesen, so zu handeln. Aber dazu mehr in der kommenden Woche.

Entscheidend ist meines Erachtens nicht, dass man als in der Öffentlichkeit lebender Mensch keine Fehler machen darf. Das kann man ja nicht verhindern, oder wie Edmund Stoiber sagen würde: „Menschen machen Fehler.“ Viel wichtiger ist es, sich diese Fehler einzugestehen und offen (d. h. auch und insbesondere in der Öffentlichkeit) damit umzugehen. Dann nämlich wird man zum wahren Vorbild.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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