Der schwule Kurienpriester und die WAZ

6. Oktober 2015 Ethik, Theologie
von Matija Vudjan
Vorgestern in den #GedankenZurWoche (siehe hier) habe ich kurz über den polnischen Priester Krzysztof Charamsa, der bisher in der Kurie tätig war, und sich am Vorabend der aktuellen Versammlung der Bischofssynode als praktizierender Homosexueller geoutet hat, berichtet. Ich habe versprochen, dass ich zu dem Fall selbst nichts sagen möchte – dabei bleibe ich auch weiterhin. Aber ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, um meine Meinung zur entsprechenden Berichterstattung mit euch zu teilen.


Es war zu erwarten, dass Krzysztof Charamsa nach seinem Outing relativ zügig von seinen bisherigen Arbeitsstellen – er war als Sekretär bei der Glaubenskongregation angestellt und hatte einen Lehrauftrag an der päpstlichen Universität Gregoriana – freigestellt werden würde. Geschehen ist dies am Samstag, also bereits einen Tag, nachdem der polnische Priester an die Öffentlichkeit getreten ist. Ebenso war aber auch zu erwarten, dass die Medien in besonderer Effekthascherei auf das Outing sowie die darauf folgende Reaktion des Vatikan reagieren würden. Die einen bezeichnen das Outing, zumal unmittelbar vor Beginn der Vollversammlung der Bischofssynode, als „Sensation“, die anderen sprechen von einem „Skandal“. Zu letzteren zählt auch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), in der gestern folgender Kommentar erschienen ist:

Ich möchte ehrlich sein: Der Skandal liegt nicht im Outing von Krzysztof Charamsa – wenn überhaupt, dann im Termin, den der Pole bewusst dafür gewählt hat – oder in der Reaktion des Vatikan, sondern in diesem Kommentar von Walter Bau, der den Fall zu einer Grundsatzfrage über die kirchliche Sexuallehre und den Umgang mit Homosexuellen hochstilisiert! Das Problem in diesem Skandal: Er übersieht (vielleicht sogar mutwillig?), dass es in diesem Fall unterschiedliche Dimensionen gibt.

Auch wenn Herr Bau sich das wünschen mag, ist nicht entscheidend, dass Krzysztof Charamsa homosexuell ist. Entscheidend ist vielmehr, dass er seine Homosexualität offenkundig seit langer Zeit auslebt und – nichts anderes lässt sein prominent platziertes Coming-Out vermuten – nicht den Anschein erweckt, davon zukünftig Abstand zu nehmen. Mit anderen Worten: Charamsa hat den Zölibat gebrochen – eine Grundbedingung des katholischen Verständnisses vom Priesteramt.

Damit dürfte auch deutlich sein, warum die Tatsache, dass Charamsa homosexuell ist, hier nur nebensächlich ist: Solange er zölibatär lebt, ist es vollkommen unerheblich, ob er homo- oder heterosexuell ist. Das einzige Kriterium ist, ob er seine Sexualität offen auslebt oder nicht. Anders gewendet: Die Konsequenzen für Charamsa wären die gleichen gewesen, wenn er am Freitag mit einer Lebensgefährtin vor die Presse getreten wäre. Zu behaupten, dass der aktuelle Fall hauptsächlich zusammenhänge mit der Frage nach dem Verständnis von Kirche und Homosexualität, offenbart deswegen einzig und alleine die den theologischen und kirchlichen Dilettantismus des Kommentators!

Aber: Immerhin – ein kleiner Lichtblick – lässt die WAZ auch kritische Kommentare zu. In der heutigen WAZ wurde der folgende Leserbrief veröffentlicht (der mit meinem Kommentar mehr oder weniger deckungsgleich ist):

Übrigens: Anders, als Walter Bau es in seinem Kommentar behauptet, ist Krzysztof Charamsa kein Bischof, sondern Priester des polnischen Bistums Pelplin. Eigentlich sollte solch ein Fauxpas doch auffallen, nicht wahr?

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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2 Kommentare zu „Der schwule Kurienpriester und die WAZ“

  1. Hallo Matija, nach längerer Zeit war ich heute mal wieder auf Deinem Blog. Zu Deinen Kommentaren im Fall Charamsa: Mit allem Nachdruck bitte ich Dich, Deine Sprache zu überprüfen und zu korrigieren. Die Worte, die Du zur Umschreibung des polnischen Priesters benutzt, stammen aus dem Arsenal der innerkirchlichen Hetzer und Verleumder. Was meinst Du damit, dass Charamsa ein "praktizierender Homosexueller" ist? Das ist eine verleumderische Sprache! Wer so redet, der erweckt allein schon durch seinen Sprachgebrauch, dass er gleichgeschlechtlich liebende Menschen verurteilt. Bitte wende diesen Begriff einmal auf Dein unmittelbares Umfeld an. Als Deine Eltern Dich geboren haben, haben sie sich in diesem Moment als "praktizierende Heterosexuelle geoutet"? Sind Deine Großeltern auch "praktizierende Heterosexuelle"? Was bist DU – "praktizierend heterosexuell" oder "praktizierend homosexuell"? Wie Du merkst, sind solche Zuschreibungen völlig falsch, sie lassen es völlig an Wertschätzung fehlen. Deshalb nochmals meine dringende Bitte: Lass Dich nicht von der Hasssprache derer anstecken, die Menschen wie Charamsa ablehnen! Ein Theologe sollte ein Meister der Sprache und ihrer Semantik sein.
    Zu den Kommentaren in der WAZ: Deine feine Unterscheidung zwischen homosexueller Liebe und Zölibat geht am Thema vorbei. Charamsa ist gefeuert worden, weil er schwul ist, nicht weil er in einer Partnerschaft lebt. Lies bitte mal gründlich seine 10 Thesen! Genau darauf beziehen sich doch alle Reaktionen, nicht auf den Zölibat!
    Bitte erlaube mir zusammenfassend eine Bitte: Bisher habe ich Deine Postings immer geschätzt, auch wenn ich mal anderer Meinung war. Bitte kehre zurück zu einem Stil, der gründliche Recherche mit Respekt verbindet. So leid es mir tut, das sagen zu müssen: Dein Text zu Charamsa ist in diesen beiden Punkten gründlich misslungen. Herzliche Grüße und Danke für Deine Aufmerksamkeit!

  2. Hallo,
    ich glaube, dass du meinen Beitrag falsch verstanden hast. Mir geht es NICHT um eine Kritik an Charamsa (das habe ich im Beitrag bereits erwähnt) oder um eine Kirchenkritik, sondern einzig und alleine um eine Medienkritik: Ein homosexueller Priester outet sich und im entsprechenden Kommentar (wie auch im Bericht) in der Zeitung wird der Zölibat nicht einmal genannt. Da läuft etwas falsch!

    Ich bleibe trotz deiner Kritik dabei: In erster Linie geht es im Fall Charamsa – auch wenn es mit seinen Thesen die Debatte in eine andere Richtung lenken wollte (was er dann ja auch geschafft hat) – um den Zölibat. Man kann zum Zölibat stehen, wie man will (ich halte ihn übrigens nicht für heilsnotwendig), aber er ist nun einmal da. Um folglich deine Frage zu beantworten: Mit "praktizierter Homosexualität" meine ich eine "ausgelebte Homosexualität", ergo: ein Leben, das dem Zölibat zuwider steht. Wie ich im Beitrag bereits geschrieben habe, beziehe ich den Terminus des "Praktizierens" deswegen sowohl auf Homo- als auch Heterosexualität. Mir leuchtet deswegen ehrlich gesagt auch nicht ein, warum dieser Terminus diskriminierend sein soll. Ich halte den Terminus vielmehr für entscheidend im Hinblick auf eine nähere Bestimmung dessen, was der Zölibat ist!

    Übrigens: Natürlich geht es im Fall Charamsa auch um das Verhältnis von Kirche und Homosexualität, das streite ich ja auch überhaupt nicht ab. Das ist dauerhaft ein Thema, an dem die Kirche und Theologie nicht vorbei kommen werden. Nur ist diese Frage im gegenwärtigen Fall von Charamsa selbst und von den Medien in die Debatte gebracht worden – aus Rom haben wir nichts in diese Richtung gehört. Lombardi selbst hat ja explizit gesagt, dass Charamsa entlassen worden ist, weil er die Synode für seine Zwecke instrumentalisiert hat.

    Herzliche Grüße
    Matija

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