Gedanken zur Woche #49

18. Januar 2015 Ethik, Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Aufgrund mehrerer studentischer Verpflichtungen habe ich es in dieser Woche leider nicht geschafft, einen vollständigen Beitrag zu veröffentlichen (dabei hat es einige Themen gegeben, zu denen ich etwas zu sagen kann/könnte). Deswegen sind die #GedankenZurWoche heute wieder einmal ein wenig umfangreicher als sonst:


Angesichts von Pegida und des Terroranschlags in Frankreich haben in den vergangenen Tagen einige Politiker gefordert, §166 StGB (der Blasphemie-Paragraph) abzuschaffen. Ja, Meinungsfreiheit ist ein unverzichtbares Gut unserer Gesellschaft. Aber, ob es Sinn macht, dieses Grundrecht jetzt reflexartig gegen andere Grundrechte auszuspielen, wage ich zu bezweifeln (wobei grundsätzlich jedes Gesetz immer hinterfragt werden muss).

Gleichzeitig wird jetzt von einigen Politikern (hauptsächlich aus der Unionsfraktion) die Forderung vorgetragen, das in §166 StGB vorgesehene Strafmaß (deutlich) zu erhöhen. Auch diese reflexartige Forderung kann nicht die Lösung sein – die jetzige gesetzliche Regelung ist gut, wie sie ist. Vielmehr entscheidend ist eine gute und ordentliche Aufklärung – dazu in den kommenden Tagen mehr.

3,5 Millionen Menschen nahmen am vergangenen Sonntag in Paris am Trauermarsch für die Verstorbenen des Terrors sowie für die Einhaltung der westlichen Grundsätze teil – darunter auch viele Vertreter der Regierungen in der Welt, wie z. B. der russische Außenminister Sergei Lawrow. Fast zeitgleich zur Kundgebung in Paris wurde in Moskau auf dem Roten Platz ein Demonstrant festgenommen. Wie nennt man das? Doppelmoral?! Kognitive Dissonanz?!

Bei eben dieser Demonstration ist es zu einem Skandal gekommen: Die anwesenden Staats- und Regierungschefs „demonstrierten“ mit Statisten fernab des eigentlichen Demonstrationszugs in einer Nebenstraße, weil ihre Sicherheit dort nicht gewährleistet gewesen wäre. Ich sehe schon das Erscheinen der Politiker als wichtiges Zeichen der Solidarität, aber dennoch stellt sich hier auch die Grundsatzfrage: Warum haben Politiker das Recht auf einen besseren Schutz als die übrigen Demonstrationsteilnehmer?

„Lügenpresse“ ist das Unwort des Jahres 2014. Meines Erachtens ist das eine sehr gute Entscheidung der Jury, ist sie doch ein schönes Symbol für die demagogische Sprache, mit der die Pegida-Bewegung arbeitet. Ich wage es allerdings zu bezweifeln, dass diese Nachricht bei den Demonstranten ankommen wird – wenn, dann wird sie wohl noch zu einer reflexartigen Verstärkung der Pegida-Sprache führen…

Die Mahnwache in Berlin am Dienstag war ein wichtiges demokratisches sowie interreligiöses Zeichen: So distanzierten sich die Muslime, namentlich der Vorsitzende des ZdM, Aiman Mazyek, deutlich vom Terror im Namen des Islam und verurteilten diesen scharf. Ebenso wurde eine offensive Solidaritätsbekundung mit Frankreich und mit der westlichen Gesellschaft vorgetragen. Ich halte das für ein sehr gutes, wichtiges Zeichen, auf das aber noch weitere Schritte folgen müssen. Auch dazu mehr in den kommenden Tagen.

In Belgien sind bei einem Polizeizugriff auf eine Terrorzelle mehrere Menschen getötet worden – offenbar stand ein Terroranschlag unmittelbar bevor. Auch für öffentliche Plätze in Deutschland, so z. B. die großen Hauptbahnhöfe, meldet das BKA eine verstärkte Terrorgefahr. Wir müssen uns wohl mit dem Gedanken abfinden, dass der Terror inzwischen vor unsere Haustür gelangt ist…

Bundesjustizminister Heiko Maas hat am Dienstag als „Gegenmittel“ einen „Ersatzpersonalausweis“ für potentielle Terroristen vorgestellt: Deutsche, die einer terroristischen Gesinnung verdächtigt werden, müssen ihren Personalausweis abgeben und bekommen dafür das Ersatzdokument, das sie an der Ausreise an Deutschland hindert. Aber: Der Verdächtige muss sich nach Schrifteingang innerhalb von 14 Tagen bei den Behörden melden – und den Ersatzausweis selbst bezahlen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das nichts wird…

Über 4000 Menschen sind heute in Essen auf die Straße gegangen, um für eine offene Stadt und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Wichtig: Demonstration wurde von einem breiten Bündnis organisiert: die Essener Lokalpolitik, die katholische und evangelische Kirche, die Essener Sportverbände, sowie zahlreiche Verbände und Vereine waren daran beteiligt. Ein sehr schönes Zeichen für ein offenes und respektvolles Miteinander in meiner Heimatstadt, auf das ich sehr stolz bin!

Die Pegida-Demonstration morgen in Dresden ist – ebenso wie alle Gegenkundgebungen – wegen der Ankündigung eines Terroranschlags auf einen der Organisationsleiter abgesagt worden. Genau das ist der falsche Weg: Wer auf die kruden Thesen und Forderungen der Pegida-Teilnehmer mit Gewalt antwortet, ist schlimmer als die Demonstranten! Der einzige Weg gegen Pegida kann nur ein friedlicher sein!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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