„Integration ja – Assimilation nein!“

30. Mai 2014 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Am vergangenen Samstag war der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wegen des 10. Jubiläums der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) als Festredner in Köln eingeladen. Faktisch war dies nichts aber anderes als eine Wahlkampfveranstaltung angesichts der nahenden Präsidentschaftswahlen in der Türkei. So verwundert es nicht, dass viele Aussagen des Premiers hierzulande auf wenig Gegenliebe gestoßen sind. Einen Kernsatz der Rede würde ich persönlich aber genau so unterschreiben: „Integration ja – Assimilation nein!“

Gesellschaftshemmer „Integrationsverbot“

Recep Tayyip Erdoğan
Foto: World Economic Forum; Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

Welche Dimension diese Aussage hat (und warum ich ihr überhaupt zustimme), wird deutlich, wenn man sie mit früheren Statements des türkischen Politikers vergleicht, in denen er ziemlich eindeutig verdeutlichte, dass ihm selbst eine Integration der Türken in Deutschland ein zu großer Schritt sei (bemerkbar machte sich dies z. B. durch die „Empfehlung“ an türkische Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder die türkische Sprache erlernen – und erst danach die deutsche). Konkret hat ein solches „Integrationsverbot“ folgende Konsequenzen: Alle ausländischen Gruppen beteiligen sich nicht am Gemeinwohl, vielmehr kapseln sie sich von der einheimischen Gruppe ab. Es entstehen also mehrere Parallelgesellschaften; ein gemeinsames Miteinander ist aber faktisch nicht möglich.

Zum Unterschied zwischen Assimilation und Integration

Erdoğans Sicht hat sich bekanntlich geändert; er propagiert die Integration inzwischen als grundlegend für eine positive gesellschaftliche Entwicklung – seine öffentlichen Aussagen lassen zumindest darauf schließen. Trotzdem wird Erdoğan für die Ablehnung der Assimilation hierzulande immer noch stark kritisiert. Ich persönlich glaube, dass der Grund dafür im fehlenden Verständnis der Begrifflichkeiten liegt. Deswegen möchte ich im Folgenden kurz auf die Dimensionen dieser beiden Begriffe eingehen.

Assilmilation – Verlust der Identität

Assimilation (von lat. similis = gleichartig) bedeutet in unserem Kontext nichts anderes als eine (vollkommene) Angleichung an und in das kulturelle und gesellschaftliche System, in das man eingewandert ist. Für die einzelne Person bedeutet der Akt der Assimilation, seine eigene kulturelle, religiöse und auch soziale Prägung zu verwerfen und analog dazu die Werte der „anderen“ Gesellschaft in Ganzheit für sich aufzunehmen, ja gar in sich aufzusaugen. Ein solcher Akt führt ganz zwangsläufig zum Verlust der eigenen Identität, oder drastischer ausgedrückt: zu einer (ungewollten, weil von der Gesellschaft aufgezwungenen) Gehirnwäsche des Einzelnen.

Dass so etwas tatsächlich geschehen kann, sieht man eindrucksvoll am Beispiel Arnold Schwarzenegger (auch wenn es bei ihm wohl freiwillig geschehen ist), der sich in der Vergangenheit teilweise weigerte, auf deutschem und österreichischem Boden Deutsch zu sprechen. Ein anderes (zugegeben praktisches) Beispiel ist vor allem hier in Deutschland bemerkbar: die ganze kulinarische Vielfalt, die wir in Deutschland genießen, wäre im Falle einer Ausländerassimilation nie zustande gekommen – wir müssten heute also auf Pizza, Gyros, Döner und viele weitere Spezialitäten verzichten.

Integration als (richtiger) Zwischenweg

Auf die beiden Extremfälle des Integrationsverbots und der Assimilation bin ich bereits eingegangen. Der Zwischenweg – und ich nehme mir hier die Freiheit, diesen als einzig „richtigen“ zu bezeichnen – ist also derjenige der Integration. Etwas freier kann man diesen Begriff (von lat. integrare = wiederherstellen) als „Eingliederung“ in die Gesellschaft übersetzen und verstehen. In diesem Sinne hat die Integration zwei Dimensionen: zum einen die Berücksichtigung und die Rückbindung an die eigene Kultur und die soziale Prägung; mit anderen Worten: die Bewahrung der eigenen „Wurzeln“. Zum anderen aber die Anerkennung, dass man sich in einer neuen Kultur und Gesellschaft, also in einer neuen sozialen Situation befindet, die man respektieren muss. Integration bedeutet also, den Zwischenweg zwischen eigener Prägung und neuer sozialen Situation konsequent und auch offen zu gehen. Dann ist dieser Weg nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft der fruchtbarste.

Abschließende Gedanken

Ich habe eingangs bereits erwähnt, dass Erdoğan für seine Absage einer Assimilation hier in Deutschland stark kritisiert wird – dass ich diese Kritik nicht teile, ist hoffentlich deutlich geworden. Andererseits muss sich Erdoğan vorwerfen lassen, dass er lange den anderen Extremweg des Integrationsverbotes vertreten hat – auch dies ist angesichts von wachsenden pluralen Gesellschaften definitiv nicht tragbar. Ich glaube entschieden daran, dass die Integration der einzig richtige Weg zu einem fruchtbaren Wachstum der Gesellschaft ist. Bedingung muss dann aber sein, dass beide Seiten einsehen: „Wir sind nicht gleich. Wir sind verschieden. Und das ist gut so.“

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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