Die theologische „Gefahr“ der Heiligen

29. April 2014 Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Das war es also, das Megaevent des bisherigen Jahres: die Heiligsprechung Johannes‘ XIII. und Johannes Pauls II. am vergangenen Sonntag. Erwartet wurden zwischenzeitlich mehr als acht Millionen (!) Besucher – am Ende wurde es wohl „nur“ eine Million. Trotzdem zeigt diese Zahl (ich habe es vorgestern bereits angesprochen): die Katholische Kirche begeistert immer unzählige Menschen für sich! Grund genug für mich, mich mit dem gestrigen Ereignis und auch mit der Rolle der Heiligen in der Katholischen Kirche allgemein zu befassen.

Heilige in der Katholischen Kirche

Am Sonntag waren noch der Petersplatz und die Via della Conciliazione brechend voll.
Foto: David Iliff/Wikipedia; Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Ich möchte zu Beginn zugeben: Mit den Heiligen habe ich so meine Probleme! Nicht mit den Heiligen direkt, auch nicht unbedingt mit der Idee der Heiligenverehrung, sondern eher mit der in der Katholischen Kirche stark ausgeprägten Vorstellung, die Heiligen für Fürsprache bei Gott zu bitten.

Aussagen des kirchlichen Lehramtes – kurz zusammengefasst

Grundsätzlich versteht die Kirche Heilige als Menschen, die in ihrer eigenen Zeit und ihren eigenen Lebensumständen ein (im katholischen Sinne) äußerst tugendhaftes und Gott wohlgefälliges Leben geführt haben. Deswegen sind sie nach Ansicht der Kirche für alle Zeiten Vorbilder eines jeden Christen. Durch ihre Lebensführung und Lebensleistung stehen sie Gott äußerst nahe. Dementsprechend dürfen Heilige in besonderer Weise geehrt, ja sogar verehrt werden. Wobei der Begriff des Verehrens hier konkret den Aspekt der Fürsprache bei Gott mit einbezieht.

Die meisten dieser Punkte kann ich vollkommen nachvollziehen, und befürworte sie sogar ausdrücklich. Dass ein Heiliger in den meisten Fällen ein besonders „guter“ Christ war, ist empirisch in den meisten Fällen sehr gut nachweisbar. Solchen Menschen – aus der Retroperspektive heraus – durch einen Heiligentitel eine besondere Würdigung zu Teil kommen zu lassen, halte ich für absolut legitim, sogar dem Lebenswerk des jeweiligen Menschen gegenüber gerecht. Auch den nächsten Schritt, Heilige nicht nur zu ehren, sondern auch zu verehren, begrüße ich vollkommen, frei nach dem Satz des Römischen Hauptmanns in der Passionsgeschichte: „Wahrlich, dieser war ein Gott wohlgefälliger Mensch!“

Grenzen und Gefahren der Heiligenverehrung

Entscheidend ist und bleibt für mich der Begriff des Verehrens. Dieser stellt meines Erachtens nämlich – abhängig davon, wie man ihn selbst versteht – nicht nur für persönliche Vorstellungen, sondern auch theologisch ein Problem dar. Versteht man das „Verstehen“ in dem Sinne, wie es das Lehramt tut, also als Möglichkeit, den oder die Heilige/n um Fürsprache bei Gott zu bitten, läuft man auf zweierlei Hinsicht Gefahr:

Das Gebot des „solus Christus“

Erstens stellt sich die Frage, warum man ein Gebet nicht direkt zu Gott sprechen kann, sondern den „Umweg“ über einen Heiligen nehmen muss. Dahinter steht der in der evangelischen Kirche sehr ausgeprägte Gedanke des solus Christus: außer Christus (also außer Gott selbst) soll nicht und niemand verehrt werden.

Ein Gedanke, dem ich auch als Katholik viel abgewinnen kann – und der theologisch umso eminenter wird, wenn man die „Idee“ der Fürsprache zuspitzt: Sind beispielsweise Gebete, die den „Umweg“ über Heilige nehmen, etwa mehr wert als Gebete, die direkt an Gott gerichtet sind? Oder anders ausgedrückt: Erhört Gott etwa die Gebete, die durch die zusätzliche Fürsprache eines Heiligen an ihn getragen werden, vor denjenigen, die von Glaubenden direkt an ihn gerichtet sind? Das ist eine Vorstellung, bei der mir eine theologische Legitimation – ganz ehrlich gesprochen – unmöglich erscheint!

Gottgleichheit und „falsches“ Christentum

Der Gedanke des „solus Christus“ ist insofern wichtig, als dass er bereits auf das zweite Problem der Heiligenverehrung hindeutet: Zweitens nämlich kann man davon ausgehen, dass jemand, der einen Heiligen bittet, bei Gott Fürsprache für ihn oder sie einzulegen, das entsprechende Gebet sehr schnell an den Heiligen selbst richten kann. Theologisch ist dies schlichtweg fatal: der oder die Heilige wird in solch einem Fall nicht nur vergöttlicht, sondern sogar vollkommen mit Gott gleichgestellt!

Zugespitzt bedeutet dieser Gedankengang: Wer den christlichen Gott bekennt, seine Gebete aber an einen Heiligen richtet, ist de facto alles, aber kein Christ mehr (was ich hier beschreibe, ist übrigens keine Schwarzmalerei, sondern in einigen Kreisen bereits durchaus gängige Praxis, vor allem in Bezug auf die Marienverehrung)! Ansatzweise ist das, wie ich finde, schon am vergangenen Sonntag deutlich geworden – vor allem in Bezug auf den Hl. Johannes Paul II.: Während der Hl. Messe hatte ich zwischenzeitlich das Gefühl, man feiere keinen Gottesdienst, sondern einen Heiligendienst…

Zusammenfassende Gedanken

Ich hoffe, dass in diesem Beitrag deutlich geworden ist, dass ich die Heiligenverehrung der Katholischen Kirche prinzipiell vollkommen befürworte. Ich kann auch verstehen, dass der Hl. Johannes Paul II. von den Massen so sehr gefeiert wurde – immerhin ist hat er einen entscheidenden Anteil an der Freiheit Polens und dem Fall des Ostblocks genommen. Ich denke aber, dass die Heiligen in der Kirche oft in den Mittelpunkt rücken – und das Wesentliche dabei in den Hintergrund rückt. Denn auch wenn das „solus Christus“ eine evangelische „Glaubensaussage“ ist, steht Christus auch in der Katholischen Kirche im Zentrum der Verkündigung – und eben nicht die Heiligen.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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