Nomen est omen – das Ziel aber bleibt gleich

3. Januar 2014 Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Gegen Ende eines jeden Jahres werden sie in fast schon inflationärer Zahl zelebriert: die Jahresrückblicke. Die Fersehsender strahlten schon Anfang Dezember mehrstündige Sendungen aus; Zeitungen, Magazine und Onlineportale vollzogen den „letzten Akt des Jahres“ standesgemäß am Silvestertag. Wie es in diesem Zusammenhang üblich ist, wurde auch die Person des Jahres gekürt. Viele Medienvertreter wählten hier Papst Franziskus aus.

Papst Franziskus ist für viele Journalisten die Person des Jahres.
Foto: Cath. Curch England and Wales/Flickr ; Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

An und für sich ist das keine Besonderheit: Ein neu gewählter Papst, zumal er das erste Mal in der Geschichte der Kirche nicht aus Europa kommt, kann durchaus person of the year werden. Meines Erachtens stellt diese Ehrung aber den (bisherigen) Höhepunkt einer Entwicklung dar, in der das Wirken Benedikts XVI. seitens der Medien vollkommen von seinem Nachfolger abgegrenzt werden soll.

Ja, ich halte den Rücktritt Benedikts für die richtige Entscheidung (einen passenden Kommentar dazu, dem ich vollkommen zustimmen möchte, hat damals mein Professor für Neues Testament, Thomas Söding verfasst). Und ja, ich finde auch, dass Franziskus genau der richtige Nachfolger als Bischof von Rom ist. Warum? Weil ich davon überzeugt bin, dass er das theologische Werk seines Vorgängers fortsetzen wird.

Lebensform ist nicht gleich Intention

Mein Eindruck ist, dass genau das von den Medienvertretern verschwiegen, wenn nicht sogar verleugnet wird. Natürlich entspricht es der Wahrheit, dass Franziskus „frischen Wind“ in den Vatikan gebracht hat und dass er schon einige interessante, weil „kurienfremde“ Personalentscheidungen getroffen hat. Aber lassen diese Entscheidungen explizit einen Schluss auf seine theologischen Vorstellungen zu, geschweige denn, dass sich daraus ein exorbitanter Unterschied zu den Vorstellungen Benedikts ableiten lässt?

Joseph Ratzinger und Jorge Mario Bergoglio sind zwei unterschiedliche Menschen. Ganz zwangsläufig sind sie als Individuen also auch unterschiedliche Charaktere. Deutlich machen dies unter anderem auch die Papstnamen, die sich die beiden zu Beginn ihres Pontifikats ausgesucht haben: Benedikt „konkurriert“ mit Franziskus.

Beide Namen sind selbstredend eine Hommage an die beiden größten Ordensmänner in der Geschichte der Katholischen Kirche: Benedikt von Nursia und Franz von Assisi, die in ihren Lebensidealen jeweils unterschiedliche Intentionen verfolgten. Wenn man die Botschaften der beiden größten Ordensgemeinschaften der Kirche auf ein Schlagwort „reduziert“, dann sind diese wohl die „vita contemplativa“ und die „vita activa“.

Die innere Einkehr, Meditation und Ruhe auf der einen; das aktive Sich-Einbringen in und für die Gesellschaft auf der anderen Seite: Ja, das sind unterschiedliche Formen und Ausübungen des christlichen Lebens. Aber sie beruhen beide auf derselben Theologie! Auch die auf den ersten Blick unterschiedlichen Leitsätze Benedikts und Franziskus‘ von der Anbetung und Verehrung Gottes sowie dem bewussten Gang an den Rand der Gesellschaft wachsen gleichsam auf dem Boden derselben Theologie: die Liebe und Barmherzigkeit Gottes für sich und die ganze Welt zu bezeugen! Nirgends wird dies so deutlich, wie im päpstlichen Schreiben Evangelii gaudium (Eine detaillierte Analyse des Schreibens folgt in den nächsten Tagen).

Abschließende Gedanken

Ich glaube, dass der mediale und auch gesellschaftliche Hype, der um Papst Franziskus derzeit entsteht, im Großen und Ganzen damit zu tun hat, dass dieser nicht so introvertiert ist wie Benedikt und ganz offen die Nähe zu den Menschen sucht. Denn als Theologe bin ich mir sicher: in ihren theologischen Positionen bewegen sich die beiden – abgesehen von kleinen Nuancen (über die ich schon hier und hier berichtete) auf einer Wellenlänge. Von Seiten der Kirche bzw. des Vatikans wird dies meines Erachtens viel zu wenig betont. Damit wird man dem theologischen Wirken Benedikts leider überhaupt nicht gerecht.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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2 Kommentare zu „Nomen est omen – das Ziel aber bleibt gleich“

  1. Hallo Matija, Dein Artikel ist interessant zu lesen. Ich erlaube mir, einen Punkt ganz anders zu sehen. Die Kontinuität von Benedikt und Franziskus, wie sie immer wieder behauptet wird, gibt es nicht. Wer das vertritt, der übersieht, dass Theologie keine abstrakte, transkulturelle und von konkreter Rezeption unberührte Theorie ist. Jede Person, jede Generation rezipiert je neu. Theologie muss durch das Nadelöhr der persönlichen Aneignung, anders gesagt: Wo sie die personale Ebene abstreift, existiert sie nicht. Franziskus vertritt etwa eine völlig andere Ekklesiologie als Benedikt. Während Benedikt eine exklusive Sicht der Kirche hat, geht Franziskus inklusiv vor. Da liegen Welten zwischen, Matija. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Pontifikat Benedikts der Kirche nicht gut getan hat. Ratzingers Theologie ist ein in sich geschlossenes, ja hermetisch abgeriegeltes Denksystem, das in keiner Weise die Einsichten moderner Anthropologie, Philosophie und Sozialwissenschaft berücksichtigt. Ein derart selbstreferentielles System wird weder dem Glauben gerecht noch nimmt es die Welt als Ort der Offenbarung ernst. Eine Theologie heute muss gegenwartssensibel sein, sonst riskiert sie zu einer Ideologie zu werden. Viele Grüße!

  2. Hallo Blondy Schopf!
    Zunächst einmal: ich bin davon überzeugt, dass in Benedikt und Franziskus eine Kontinuität erkennbar ist, eine Kontinuität, die auf dem 2. Vatikanischen Konzil fußt. Ich bin genau wie du davon überzeugt, dass in der Tat jede Generation (und auch jedes einzelne Individuum) neu – oder zumindest anders denkt und rezipiert. In 2000 Jahren Kirchengeschichte ist das ja immer wieder deutlich geworden. Solange die persönliche Rezeption auf dem Boden der Kirche im Allgemeinen und auf dem Boden des 2. Vatikanums im Speziellen steht, sehe ich darin kein Problem. Und sowohl bei Benedikt als auch bei Franziskus ist das der Fall.

    Deinem Einwand zur Ekklesiologie stimme ich vollkommen zu. Was es das angeht, hast du sozusagen den wunden Punkt meiner Argumentation getroffen (aber zu meiner Selbstverteidigung: Ich habe im Post selbst ja auf diesen Unterschied im ekklesiologischen Verständnis der beiden Päpste gibt und es in anderen Posts auch schon herausgearbeitet, (die Links dazu habe ich oben ja auch genannt)).

    Ob man das das Pontifikat Benedikts für einen Fehler hält oder nicht, sei jedem selbst überlassen. Als gläubiger Katholik nehme ich mir hier die Freiheit heraus, ganz im Gegenteil die Meinung zu vertreten, dass das Pontifikat Benedikts sehr erfolgreich war – auch und gerade aus theologischer Perspektive. Ich gebe zu: es gibt einige Punkte unter den Thesen Ratzingers, denen ich selbst nicht zustimmen kann. ABER: deinem Argument, dass seine Theologie „hermetisch abgeriegelt“ sei, möchte ich entschieden widersprechen: Das beste Argument dafür befindet sich im Vowort des ersten Jesusbuches, das er geschrieben hat. Darin sagt er explizit, dass er in der Trilogie keine endgültigen und lehramtlichen Aussagen treffen möchte, sondern, dass er eine Diskussion entfachen möchte (wenn ich mich recht erinnere, spricht er sogar davon, dass er sich angreifbar machen möchte). Im Übrigen war Benedikt der Papst, der so viel für den ökumenischen Dialog (auch wenn nur zu den orientalischen Kirchen) und den Dialog mit Juden und Muslimen getan hat wie kein anderer vor ihm.

    So viel zu meiner bescheidenen Meinung 😉
    Viele Grüße
    Matija

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