Die Ethik der Rabattschlacht

8. Januar 2014 Ethik
von Matija Vudjan
„Jeder 20. Kunde zahlt nur 14€!“ So lautete die diesjährige, fast schon traditionelle Neujahrsaktion des Elektro-Fachmarktes Mediamarkt, die am Samstag endete. Ob die Rabattaktion Lotterie erfolgreich war, sei zunächst einmal dahingestellt. Aktionen wie diese sind meines Erachtens Zeichen einer immer größer werdenden Profitgier – und im hohen Grade ethisch fragwürdig. Warum ich so denke, möchte ich im Folgenden darlegen.

Für verrücke Aktionen bekannt: Media Markt.
Foto: M. Aranda/Flickr; Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

Inzwischen veranstaltet Media Markt seine Aktionen nicht nur nach Weihnachten, sondern über das ganze Jahr verteilt (ich erinnere an dieser Stelle z. B. an die Torwandaktion im letzten Jahr). Mich stören nicht die Aktionen an sich; viel mehr geht es mir um die Regelmäßigkeit, mit der diese inzwischen veranstaltet werden. Die Konstanz dieser Nachlässe erinnert mich inzwischen immer mehr an die 20%-Aktionen des Baumarktkonzernes Praktiker.

Ich war selbst seit Mitte 2011 bis zur Schließung am 30. November letzten Jahres bei Praktiker als Aushilfe angestellt und konnte in dieser Zeit einen Einblick darin bekommen, welche Wirkung (regelmäßige) Aktionen auf den Kunden und das Geschäft ausüben. Und auch wenn der Vergleich zwischen Bau- und Elektrofachmarkt auf den ersten Blick weit hergeholt wirken mag, kann ich tatsächlich einige Parallelen erkennen.

Umsatz: ja – Gewinn: nein

Man glaubt es zwar kaum, aber man kann den Kunden tatsächlich „dressieren“. Dass man in einem Aktionszeitraum mehr Umsatz generiert als in einem vergleichbaren Rahmen ohne Aktion, ist verständlich. Allerdings hängt auch sehr viel davon ab, ob und inwiefern die Kundschaft an die jeweilige Aktion „gewöhnt“ ist. Als Praktiker 2003 mit der „20% auf alles“-Aktionen anfing, wurden diese zunächst nur halbjährlich veranstaltet und waren wirtschaftlich ein voller Erfolg (Zahlen darf ich hier aus rechtlichen Gründen leider nicht nennen).

Als ich vor zweieinhalb Jahren bei Praktiker anfing, war man bereits so weit fortgeschritten, dass es für Besitzer von Kundenkarten jeden Monat eine Aktion gab; für die gesamte Kundschaft wurden die Aktionen alle zwei Monate geöffnet. Viele Märkte waren nur noch während der Aktionszeiträume in der Lage, die normale Gewinnspanne zu erreichen – außerhalb wurden sehr große Verluste eingefahren. Da sich die Aktion immer mehr häuften, wurde de facto kaum noch Gewinn erwirtschaftet.

Ende 2012 versuchte man von der Konzernzentrale aus, die inflationär stattfindenden Aktionen zu beenden – mit der Konsequenz, dass die Umsätze komplett einbrachen. Also führte man die Prozentaktionen nach etwa zwei Monaten wieder ein, mit dem Unterschied, dass es nicht mehr 20, sondern 25 oder gar 35% waren. Am Ende half auch dieser (halbherzige) Rettungsversuch nicht mehr: Praktiker meldete im Juli vergangenen Jahres Insolvenz an; am 31. November schlossen die Türen der Märkte nach einem zweimonatigen Abverkauf.

Warum erzähle ich das alles? Ganz einfach: weil aufgrund der nicht enden wollenden Profitgier der Unternehmensführung seit Dezember rund 10000 Menschen arbeitslos sind – die etwa 6000 Max-Bahr-Beschäftigten, die voraussichtlich im Februar dasselbe Schicksal erleiden werden, sind hier noch gar nicht einbezogen.

Geschichte muss sich nicht wiederholen. Sie kann aber.

Nun kann man ja sagen, dass Praktiker nicht Media Markt sei und dass die Baumarktbranche nicht mit der Elektrobranche vergleichbar sei. Zumal Media Markt momentan – zusammen mit Saturn – auf dem deutschen Markt fast ein Monopol ausübt. Für Media Markt spricht vielleicht auch, dass die Aktionen keinen Rabatt im herkömmlichen Sinne versprechen, sondern eher einer Lotterie gleichen. Womit man auf den Umsatz gerechnet wohl weniger Verluste erzielt. Gerade deswegen wäre es interessant zu erfahren, wie die Geschäftszahlen bei Media Markt im Rahmen solcher Aktionen verhalten.

Vielleicht male ich die Situation gerade wirklich etwas sehr schwarz. Vielleicht aber auch nicht. Als Praktiker 2003 mit den Rabattaktionen begann, war der Konzern noch der zweitprofitabelste hinter Obi. Und Tatsache ist auch, dass unsere Gesellschaft zutiefst kapitalistisch ist; das Streben nach mehr und mehr Gewinn ist inzwischen das „Mantra“ jedes Einzelnen – insbesondere aber auch der Konzervorstände.

Vielleicht male ich die Situation gerade wirklich etwas sehr schwarz. Ich will es hoffen. Für die vielen tausenden Mitarbeiter von Media Markt, deren Existenz durch die geradezu unethische Lotterie der Konzeroberen gnadenlos aufs Spiel gesetzt wird.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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2 Kommentare zu „Die Ethik der Rabattschlacht“

  1. Sehr gut behandeltes Thema, speziell für den Bereich der Märkte mit ihren wirklich fragwürdigen Aktionen. Ich finde aber auch den Untergang der klassischen Fachgeschäfte schlimm, die mit hohen Kosten für Miete, Personal, Ladenausstattung, Beleuchtung, Heizung und Werbung gegen die enorme Konkurrenz aus dem Internet (z. B. Amazon u. Zalando) ankämpfen müssen!

  2. Danke für deinen Kommentar, Fidy! Ich stimme dir zu: dass es immer weniger Fachgeschäfte gibt, ist eine traurige Entwicklung. Aber ich muss auch zugeben, dass ich mich selbst schon des Öfteren dabei erwischt habe, bei Onlinehändlern einzukaufen, insbesondere bei Amazon…

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