Wenn Kirche ihre eigenen Grenzen nicht mehr kennt

3. Dezember 2013 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Vorgestern fand in Kroatien das dritte Referendum in der Geschichte des noch jungen Landes statt. Zur Abstimmung stand die Frage, ob die Definition der Ehe als Partnerschaft zwischen Mann und Frau in die Verfassung aufgenommen werden solle. Bei einer Wahlbeteiligung von unter 40% stimmten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 65,87% dafür.

Das Referendum von Sonntag hat die Grenze zwischen Kirche und Staat in Kroatien verwischt.

Die Volksabstimmung wurde von der katholischen Laieninitiative „u ime obitelji“ (Im Namen der Familie) initiiert, die dafür mehr als 700000 Unterschriften gesammelt hatte. Zunächst einmal kann man der Initiative keinen Vorwurf machen (unabhängig von der persönlichen Meinung): sie hat es geschafft, die Bürger von ihrem Standpunkt zu überzeugen und hat das Referendum „gewonnen“. Problematisch wird die Volksabstimmung erst, weil die Amtskirche die Initiative öffentlich und vor allem aktiv unterstützt hat.

Naturrechtliche Hintergründe

Die kirchliche Morallehre richtet sich in großen Teilen nach dem sogenannten Naturrecht (kurz zusammenfassen lässt es sich folgendermaßen: Die Natur ist den Menschen von Gott gegeben. Sie ist also unantastbar). Gemäß des Naturrechts versucht die Kirche auch, die Institution der Ehe zu definieren: Die Ehe als Institution dient der Fortpflanzung; aufgrund der natürlichen Gegebenheiten kann sie deswegen nur zwischen Mann und Frau vollzogen werden.

Auch wenn Homosexuellenverbände dies immer wieder behaupten, ist diese Position zunächst einmal nicht diskriminierend, da sie sich auf gültige naturwissenschaftliche Erkenntnisse stützt; man könnte sie eher als schlichte Feststellung bezeichnen.

Die moralische Argumentation der Kirche wird in dem Moment prekär, in dem versucht wird, sie in die Verfassung des entsprechenden, hier kroatischen Staates zu integrieren. Dann nämlich führt solch eine moralische Aussage zu einer klaren Diskriminierung derjenigen, die diese Position nicht teilen.

Ja, die Katholische Kirche hat sich in gewisser Weise schon immer als moralische Institution verstanden, und in einem Land mit einem fast 90-prozentigem Anteil an katholischen Christen ist die moralisch-gesellschaftliche Wirkung als solche weitaus größer als zum Beispiel hier in Deutschland. Weil sich die breite Mehrheit mit kirchlichen Positionen identifiziert, stellt es keine Schwierigkeit dar, auch moralische Überzeugungen in das säkulare Gesetz zu „importieren“.

Überschrittene Grenzen – mit fatalen Konsequenzen?

Geschieht dies, so wird eine Grenze überschritten: die Kirche maßt sich dann nämlich an, ihre Überzeugungen den übrigen zehn Prozent aufzuoktroyieren, die ihre Auffassungen nicht teilen. Dies ist insofern fatal, als dass es auch kirchliche Lehre ist, Andersdenkende nicht auszugrenzen und ihnen nicht die eigene Lehrmeinung aufzuzwingen. Papst Franziskus schreibt in seinem aktuellen apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium: „Es ist nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in igren Gebieten auftauchen“ (EG 16). Ein Satz, den man – wie ich finde – ohne Zweifel auch auf die Beziehung zwischen Kirche und Staat beziehen kann.

Das Referendum vom Sonntag fiel in eine Phase, in der die linksgerichtete kroatische Regierung gerade die Gleichsetzung von traditionellen Ehen und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vorbereitete. Da durch die Volksabstimmung nur der Ehebegriff aelbst genauer definiert worden ist, kann man hoffen, dass die Regierung ihr Vorhaben trotzdem verwirklichen wird?

Aber was, wenn die Kirche das Referendum als Präzedenzfall versteht und in weitere politische Diskussionen eingreifen wird? In ganz Kraoatien wird seit längerer Zeit die Debatte geführt, ob die serbische Minderheit in der ostkroatischen Stadt Vukovar die kyrillische Schrift an öffentlichen Orten (z. B. Straßenschildern) benutzt werden darf. Es könnte durchaus geschehen, dass die Kirche in Kroatien (der man eine Tendenz zum Nationalismus nicht abstreiten kann) die Katholiken zu einem weiteren Referendum animiert – und so zu einer aktiven Diskriminierung der politischen Minderheit führt. Für die staatliche Demokratie in Kroatien wäre das ein Schritt in voraufklärerische Zeiten – und schlichtweg fatal.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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3 Kommentare zu „Wenn Kirche ihre eigenen Grenzen nicht mehr kennt“

  1. Hallo Matija, Dein Artikel ist interessant. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die Kirche hier dumpfe Gefühle bedient: Nämlich die in Kroatien weit verbreitete Homophobie. Eine kleine Korrektur habe ich für Dich: Du schreibst, dass die Ehe der Fortpflanzung dient. Das ist so nicht korrekt. Denn was machen die Paare, die sich nicht (mehr) fortpflanzen können? Weil sie zu alt sind oder biologisch daran gehindert sind? Eine naturrechtliche Begründung der Ehe ist deshalb nicht tragbar. Wir müssen auf der Ebene der Beziehung argumentieren: Die Ehe ist eine lebenslang geschlossene Gemeinschaft, die evtl. auch Kinder hervorbringt. Wenn man so argumentiert, dann ist auch die Ehe zwischen zwei Männern bzw. zwei Frauen möglich. Hier muss die Kirche noch viel lernen.

  2. Hallo Blondy Schopf,
    Vielen Dank für deinen Kommentar und den Einwand! Das Naturrecht übt ja nicht nur in der Ehefrage, sondern mehr oder weniger in der gesamten Morallehre der Kirche einen großen Einfluss aus. Sicherlich sind für die kirchliche Definition des Ehebegriffes auch andere Aspekte von Bedeutung (vor allem die biblische Herleitung sei hier einmal kurz erwähnt). Das hatte ich im Artikel herauszuarbeiten versucht, und zwar zunächst einmal nur beschreibend, noch in keinster Weise wertend.
    Ob man den kirchlichen Ehebegriff auf diese Weise heute noch legitimieren kann, muss jeder für sich entscheiden – das wäre aber ein Thema für sich. Mir ging es in meinen Ausführungen nur darum, dass man eine solche moralische Überzeugung unter keinen Umständen in die Verfassung übertragen kann. Zum einen, weil damit die Verfassung Dinge regelt, für die sie überhaupt nicht zuständig ist. Und zum anderen natürlich, weil die Kirche dadurch aktiv in die alltägliche Politik eingreift, was ebenfalls fatal ist.

  3. Lieber Matija, danke für Deine ergänzende Erläuterung. Ich stimme Dir völlig zu, dass die Kirche keinesfalls in die aktive Politik eingreifen sollte. Im Übrigen ist die moralische Haltung der Kirche zur Homosexualität zutiefst fehlgeleitet, weil sie zum einen auf dem fragwürdigen Konzept das Naturrechts beruht und zum anderen die Bibel höchst selektiv auslegt. Ich bin selbst schwul und habe mich intensiv mit theologischen Ansätzen befasst, die zu anderen Einschätzungen kommen als die offizielle Lehrmeinung. Dir alles Gute. Liebe Grüße

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