Ihr habt es sicherlich aus den Medien vernommen: In Köln, Hamburg und Stuttgart wurden in der Silvesternacht viele Frauen von mehreren Gruppen von Männern (insgesamt wohl über 1000) mehrfach angegangen, ausgeraubt und teilweise sogar sexuell missbraucht – inzwischen sind bei der Polizei bereits deutlich über 100 Anzeigen eingegangen (dass die etablierten Medien über diesen Vorfall fast drei Tage lang (!) nicht berichteten, ist mehr als beschämend, soll aber heute nicht unser Thema sein). Angesichts der Vielzahl der Übergriffe tagte gestern unter der Leitung der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ein Krisenstab – erste Ergebnisse wurden gestern bereits in einer Pressekonferenz vermeldet, von der die Rheinische Post folgendermaßen berichtet:
„Mit einem Katalog an Verhaltensregeln und der neuen Regelung, dass künftig auch Großveranstaltungen ohne offiziellen Veranstalter Sicherheitskonzepte vorliegen sollen, wollen Polizei und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker verhindern, dass Übergriffe wie in der Silvesternacht zur Regel werden. […]
Zu den Regeln gehöre es, zu Fremden eine Armlänge Distanz zu halten, innerhalb der eigenen Gruppe zu bleiben und sich von dieser nicht trennen zu lassen, im Notfall konkret Umherstehende um Hilfe zu bitten und als Zeuge einzugreifen oder die Polizei zu informieren. […]“
– Quelle: rp-online.de
Mal ganz abgesehen davon, dass solch ein Vorschlag praktisch wohl kaum durchführbar sein dürfte – man stelle sich nur vor, wie viele Menschen zum Beispiel beim Kölner Rosenmontagsumzug mehrere Stunden lang dicht aneinander gedrängt sind –, muss man offen und ehrlich die Frage stellen: Ist solch eine Anweisung unsere Antwort auf Gewalt und Kriminalität?! Ist Frau Reker tatsächlich so naiv, zu glauben, dass ein Krimineller sich seinem Opfer nicht nähert, wenn dieses eine Armlänge von ihm entfernt ist?!
Auch unabhängig von jeglicher Praktikabilität dieser „Verhaltensregeln“ – alleine die Tatsache, dass es so etwas gibt, ist m. E. ein Schlag in das Gesicht einer jeden Frau, aber auch das ist ein anderes Thema – komme ich aber nicht umhin, zu erkennen, dass der Rechtsstaat damit seine Niederlage gegen die Kriminalität einräumt! Wenn Frau Reker als oberste Repräsentantin des Rechtsstaates in der Stadt Köln öffentlich verlautet, wie man sich möglichst gut vor Gewalt schützen soll, dann gesteht sie damit zugleich, dass sie es ihn absehbarer Zeit nicht schaffen wird, das aktuelle Level der Gewalt zu minimieren, geschweige denn zu eliminieren! Sollte aber nicht genau das das Ziel eines jeden Rechtsstaates sein?!
Warum hat Frau Reker, anstatt ihre nicht praktikablen „Verhaltensregeln“ vorzustellen, nicht versprochen, dafür Sorge zu tragen, dass die Polizeipräsenz an potentiellen Gefahrenorten wie dem Kölner Hauptbahnhof nachhaltig zu erhöhen? Die Kölner Polizei war in der Silvesternacht angesichts der großen Menge an Männern in der Bahnhofshalle nachweislich überfordert. Warum hat sie nicht versprochen, sich dafür einzusetzen, dass die Qualität der Überwachungskameras am Kölner Hauptbahnhof deutlich verbessert wird? Wir wissen bisher anhand von Zeugenberichten, dass die Täter mutmaßlich aus Nordafrika kommen; die Bilder der Überwachungskameras sind allerdings von so schlechter Qualität, dass die Polizei bisher noch keine Spur hat. Und warum hat sie nicht versprochen, dass die Täter gefangen werden und mit der vollen Härte des Rechtsstaates bestraft werden?!
Weil das alles nicht die Kompetenzen von Frau Reker als Oberbürgermeisterin sind. Die Kölner Polizei unterliegt dem NRW-Innenministerium. Überwachungskameras werden installiert vom Eigentümer der entsprechenden Immobilie – an Orten wie im Kölner Hauptbahnhof auf Anordnung des Innenministeriums. Und auch für den Vollzug des Rechtsstaates ist nicht Frau Reker zuständig, sondern Exekutive und Iudikative, also: die dem Innenministerium untergeordnete Polizei und unabhängige Gerichte (Stichwort: staatliche Neutralität).
Frau Reker steht im Grunde am Ende dieser ganzen Fahnenstange; sie hat als einfache Oberbürgermeisterin auf die Lösung des konkreten Vorfalls wie auch auf die Prävention zukünftiger ähnlicher Situationen kaum Einfluss. Trotzdem ist es ihr Auftritt, der heute diskutiert wird und der in Erinnerung bleiben wird. Und der transportiert leider eine äußerst schlechte Nachricht: dass nämlich Politik und Rechtsstaat im Kampf gegen Kriminalität nicht nur versagt, sondern auch aufgegeben haben!
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