Besonnenheit statt plumper Meinungsmache

9. Januar 2017 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Die Kölner Domplatte bei Nacht, vom Dom aus fotografiert. Original-Foto: Marc Kalmes/Flickr; Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0
Wir leben in äußerst turbulenten Zeiten, und schnelllebigen noch dazu. Nirgends wird dies so deutlich wie im Bereich der Informationsvermittlung und -beschaffung: Wenn etwas geschehen ist, braucht jedermann (nach Möglichkeit) sofort alle verfügbaren Informationen – und muss auch sofort seine Meinung zum Geschehenen loswerden. Diese Entwicklung scheint mir ein Spiegelbild unserer Gesellschaft zu sein – und ist beileibe nicht ungefährlich, wie gegenwärtig der Fall der Grünen-Vorsitzenden Simone Peter zeigt.

Was geschehen ist

Steht momentan (nicht ganz zu Unrecht) in der Kritik: Simone Peter, Bundesvorsitzende der Grünen.
Foto: Laurence Chaperon/gruene.de; Lizenz: CC BY 3.0

Manchmal geht alles sehr schnell: Keine zwei Tage war das Jahr 2017 alt, als es hier in Deutschland seinen ersten Polit- und Medienskandal erlebte. Wir erinnern uns: An Silvester fuhr die Kölner Polizei aufgrund der Geschehnisse vor einem Jahr ein massives Polizeiaufgebot auf: Über 1500 Beamte waren im Einsatz – und mussten tatsächlich aktiv werden. Am späten Silvesterabend wurden etwa 1000 Personen – vorwiegend Männer aus dem nordafrikanischen Raum – festgehalten; ihnen wurde der Zugang zur Domplatte verwehrt.

Folgende Information dazu twitterte die Kölner Polizei noch während des Einsatzes:

#PolizeiNRW #Silvester2016 #SicherInKöln: Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen. https://t.co/VYMQuT6B7u pic.twitter.com/cCVVdRwr9D

— Polizei NRW K (@polizei_nrw_k) 31. Dezember 2016

Dieser Tweet – insbesondere die Tatsache, dass darin die Rede von „Nafris“ ist – war für die Grünen-Parteivorsitzende Simone Peter Anlass genug, die Kölner Polizei scharf zu kritisieren. Die Rheinische Post berichtete schon am 2. Januar:

„Grünen-Chefin Simone Peter sagte unserer Redaktion, zwar habe das Polizei-Großaufgebot Übergriffe deutlich begrenzt. ‚Allerdings stellt sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden.‘ […] ‚Völlig inakzeptabel ist der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie ,Nafris‘ für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei.‘“

Quelle: rp-online.de

Hätte sie das mal lieber nicht getan…

„Nafris“ und „racial profiling“

Den Begriff „Nafris“ zu kritisieren, ist meines Erachtens völlig legitim. Der Begriff, der als polizeiinterne Abkürzung für „nordafrikanische Intensivtäter“ gilt, ist in hohem Maße diskriminierend, weil er letztlich jeden Nordafrikaner – oder sogar nordafrikanisch aussehenden Menschen – unter den Generalverdacht stellt, kriminell zu sein. Zudem impliziert ein solcher Begriff, dass man einem Menschen bereits an seinem Äußeren ansehen kann, ob er kriminell ist oder nicht. Das wiederum führt zwangsläufig zum sogenannten „racial profiling“, also zu einem polizeilichen Einsatz nur aufgrund des Äußeren eines Menschen, nicht jedoch aufgrund eines Verdachtmomentes.

Genau das hat Simone Peter der Kölner Polizei vorgeworfen, wie im obigen Zitat mehr als deutlich wird. Das Problem: Ihre Vorwürfe entbehren, wie wir inzwischen wissen, jeglicher Grundlage: Die Polizei hat nicht 1000 Nordafrikaner festgehalten, sondern 1000 nachweislich aggressive und gewaltbereite, teilweise alkoholisierte Nordafrikaner (siehe hier). Frau Peter formulierte ihre Kritik, wie sie selbst zugegeben hat, einzig aufgrund des Polizei-Tweets. Dieser jedoch formuliert sehr deutlich: „Infos folgen“.

Wo bleibt die Besonnenheit?

Dass Simone Peter nach diesem Vorfall von vielen Medien geradezu zerrissen wurde und vielerlei Anfeindungen erleiden musste, ist der eigentliche Skandal! Noch dazu einer, der sehr viel über die Diskussionskultur in unserem Land aufzeigt! Und dennoch: All das wäre gar nicht erst geschehen, wenn Frau Peter den Tweet in Ruhe gelesen, besonnen reagiert und ein wenig darüber nachgedacht hätte, was genau sie der Rheinischen Post sagen wollte.

In Zeiten, in denen „postfaktisch“ zum Wort des Jahres gewählt wird, in denen Fake-News einen Großteil der Berichterstattung ausmachen und in denen die Medien grundsätzlich dem Generalverdacht ausgeliefert sind, „Lügenpresse“ zu sein, kann es doch nicht sein, dass eine Politikerin – noch dazu von solch hohem Rang – sich anmaßt, lauthals ihre Meinung zu einem Sachverhalt zu vertreten, den sie aufgrund von fehlenden Informationen objektiv zu beurteilen überhaupt nicht imstande sein kann! Gerade in solch turbulenten Zeiten, wie wir sie momentan erleben, sollten Politiker Brandherde nicht noch weiter befeuern, sondern vielmehr eine beruhigende Funktion einnehmen! Es sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, so lange mit einem Statement abzuwarten, bis tatsächlich offizielle Informationen zum entsprechenden Sachverhalt vorhanden sind.

Was rund um Frau Peter geschehen ist – insbesondere auch die Reaktionen darauf in Medien und Gesellschaft –, ist nichts anderes als ein Spiegelbild unserer gegenwärtigen Medienlandschaft und Diskussionskultur. Ich bin davon überzeugt: Es würde uns allen äußerst gut tun, nicht sofort auf jede Twitter-Meldung zu reagieren, sondern (mindestens) eine Nacht darüber zu schlafen, bevor man zu einem Sachverhalt Stellung bezieht – und im Zweifel auch einmal zu schweigen. Eines sollte dabei aber klar sein: Wenn Medien und Politik nicht mit gutem Beispiel voran gehen, müssen sie nicht die Hoffnung hegen, dass sich etwas zum Besseren verändern wird.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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