Konkret geht es mir um einen Beitrag aus der heutigen WDR Lokalzeit Ruhr: darin wird über die Entscheidung der Stadt Essen berichtet, in den nächsten Jahren 50 Kinderspielplätze, also etwa zehn Prozent aller Spielplätze der Stadt, zu schließen (zum Beitrag klickt bitte hier – die ersten 30 Sekunden zählen NICHT zum Beitrag).
Auf den ersten Blick erscheint der Bericht wie viele andere. Zunächst kurze, einleitende Worte, die den Sachverhalt darstellen, dann ein paar Pro- und Contra-Argumente und zum Schluss eine Zusammenfassung sowie Wertung des Sachverhaltes durch den Berichtenden. Ich habe mich lediglich darüber gewundert, dass ich von der Geschichte, obwohl sie ja ziemlich brisant ist, noch nichts gehört oder gelesen habe. Also habe ich selbst ein wenig zum Thema recherchiert und dabei folgendes „Ergebnis“ erhalten:
Zu dem Thema gibt es also keine aktuelle Berichterstattung. Kein Wunder; immerhin ist der Beschluss der Stadt, die 50 Kinderspielplätze zu schließen schon mehr als zwei Jahre alt.
Ein Verstoß gegen journalistische Regeln
Zurück zum Bürgerentscheid in der kommenden Woche: Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Stadt Essen hoch verschuldet ist. Pro Einwohner ist die Stadt um 3766€ verschuldet – und liegt damit auf Platz zehn des aktuellen Schuldenrankings (Quelle: Wirtschaftswoche). In solch einer Situation ist es vollkommen normal, dass nicht jedermann damit einverstanden ist, dass der Rat eine Investition in Höhe von 123 Millionen Euro beschließt.
Der Pressekodex des Deutschen Presserates beschreibt die Aufgabe eines Journalisten in seiner Präambel folgendermaßen:
„Sie [Journalisten und Herausgeber] nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr.“
Quelle: Deutscher Presserat
Dass dieser Satz auf die gedruckte Presse bezogen ist, ist mir vollkommen klar. Dennoch bin ich der Auffassung, dass der Satz ein journalistisches Grundprinzip enthält, das man auch für die visuellen Medien gelten muss: das Prinzip der Unvoreingenommenheit bzw. der Neutralität.
Die Medien haben meiner Ansicht nach die Aufgabe, den Menschen in der regulären Berichterstattung (von Kommentaren ist hier ganz absichtlich NICHT die Rede) über verschiedene aktuelle Sachverhalte und Geschehnisse zu informieren. Ich bin der Überzeugung, dass dieser Grundsatz im Bericht des WDR nicht erfüllt wurde. Durch die Tatsache, dass ein inzwischen zwei Jahre alter Beschluss der Stadt Essen so kurz vor einem wichtigen Bürgerentscheid als ganz aktuell inszeniert wird, wird dem Zuschauer impliziert, dass die Stadt gerade aufgrund der Investitionen in die Messe nicht mehr für die Spielplätze aufkommen kann. Auf die Spitze getrieben wird die Inszenierung durch den Satz des Berichtenden: „Das gesparte Geld will die Kommune anders nutzen“.
Was heute im WDR geschehen ist, halte ich journalistisch – und auch medienethisch – für äußerst gefährlich: Dem Zuschauer wird eine veraltete Geschichte als brandaktuell verkauft, damit bei ihm eine ganz bestimmte – von der Redaktion gewünscht – Assoziation entsteht. Der Zuschauer wird also in seinem Recht, sich seine Meinung frei und unabhängig bilden zu können, entscheidend gestört. Von seriösem Journalismus ist der Bericht des WDR also weit entfernt – und ein Fall für den Deutschen Presserat.