„Und man nennt ihn: Friedensfürst.“

31. Dezember 2019 Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Krippenlandschaft in St. Lucius, Essen-Werden
Eine Krippenlandschaft in der Luciuskirche in Essen-Werden.

In der letzten Zeit wird immer häufiger festgestellt, dass die Sprache verrohrt oder dass unsere Gesellschaft gespalten ist. Mit Blick auf die gegenwärtige Diskurslandschaft – und all die Eskalationsbereitschaft, die momentan rund um das #Omagate zutage tritt – ist diese Diagnose nicht von der Hand zu weisen. Gerade angesichts dessen kann die Weihnachtsbotschaft eine Richtschnur sein. Nein, sie kann nicht nur, sie sollte sogar eine Richtschnur sein! Ein Impuls.

Es ist etwas mehr als eine Woche her, dass wir unseren Arbeitskolleginnen und -kollegen, unseren Freundinnen und Freunden ein frohes und besinnliches, vielleicht auch ein gesegnetes Weihnachtsfest gewünscht haben. Es ist keine sieben Tage her, dass wir mit unseren Familien besinnliche Stunden am Weihnachtstisch verbracht haben und gemeinsam den Weihnachtsgottesdienst besucht haben.

All das scheint schon wieder vergessen, wenn man sich vor Augen führt, dass ein umgedichtetes Kinderlied zu einer Staatskrise zu einem Sturm der Entrüstung geführt hat und dass ein WDR-Mitarbeiter deswegen Morddrohungen erhält.

Besinnliche Weihnachten…

Die Botschaft von Weihnachten

Wir befinden uns noch mitten in der Weihnachtsoktav; schon deswegen sollten wir uns (zumal in Zeiten ausufernder und emotionalisiert geführter Diskussionen) vor Augen führen – und dann auch beherzigen! –, was die Botschaft von Weihnachten ist: Frieden.

Der Fürst des Friedens

Der Friede ist einer derjenigen Aspekte, die in der Weihnachtsliturgie einen ganz prominenten Platz haben: Er wird eng an die Person Jesu gebunden und mit seiner Geburt verknüpft. Der ganze Horizont dieses Zusammenhangs wird schon in der ersten Lesung der Christmette (aus Jesaja) aufgemacht. Dort heißt es:

Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“
Jes 9,5

Wenn vom Fürst des Friedens die Rede ist, der kommen wird, dann ist – in christlicher Perspektive – eindeutig, dass damit niemand anderes gemeint ist als Jesus Christus. In seiner Menschwerdung und Geburt wird der Welt Frieden gebracht. Er ist der Fürst, der seine Herrschaft nicht auf ein Fundament der Gewalt stellt; im Gegenteil: Weil seine Waffe einzig der Friede und die Liebe sind – und zwar radikal, bis hin zum Kreuz! –, durchbricht er die Spirale der Gewalt.

Die Adressierung Jesu als Friedensfürst bleibt nicht singulär. In der Messe am Morgen von Weihnachten wird das Motiv wieder aufgegriffen – und nun noch eindeutiger mit Jesus verknüpft. So heißt es im Eingangsvers der Messe:

Ein Licht strahlt heute über uns auf, denn geboren ist uns der Herr. Und man nennt ihn: Starker Gott, Friedensfürst, Vater der kommenden Welt. Seine Herrschaft wird kein Ende haben.
Introitus der Messe am Morgen an Weihnachten

Friede auf Erden

Hans Rottenhammer d. Ä. (1564–1625): Die Anbetung der Hirten (vgl. Lk 2,19) (1595/96). Kupfer, 31×37 cm.
Alte Pinakothek, München (9444); Lizenz: CC BY-SA 4.0

Im Weihnachtsevangelium des Evangelisten Lukas (vgl. Lk 2,1–21) wird das Motiv des Friedensfürsten aufgegriffen – und neu perspektiviert. Dabei soll deutlich werden: Der Fürst des Friedens ist der Welt erschienen – im neugeborenen Kind, in der Krippe von Bethlehem.

Die ersten, die von der Geburt Jesu erfahren, sind (bei Lukas) die Hirten auf dem Feld (bezeichnend, und doch so passend, dass die Botschaft von der Geburt des „Retters“ (Lk 2,11) zuallererst denjenigen verkündet wird, die außerhalb der Stadtgesellschaft, auf den Feldern verweilen müssen!). Nachdem ihnen der Engel des Herrn verkündet hat, wo sie das neugeborene Kind finden werden, erscheint ein „himmlisches Heer“ (Lk 2,13), das Gott lobt und die folgenden Worte spricht:

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“
Lk 2,14

Wieder ist von Frieden die Rede. Wenn wir uns die Komposition dieses Satzes im lukanischen Weihnachtsevangelium und seine parallele Struktur „Gott in der Höhe — Friede auf Erden“ vergegenwärtigen, dann wird deutlich: Der Friede, von dem hier die Rede ist, ist nicht menschengemacht, sondern er kommt von Gott.

Der Satz verdeutlicht zudem: Im neugeborenen Kind in der Krippe wird Gott Mensch. Im Kind von Bethlehem ist der Fürst des Friedens inkarniert. In diesem Kind, in dem sich göttliches und menschliches Sein berühren, ist der Friede real und radikal erfahrbar. „Gottes Ehre, seine Herrlichkeit, und der irdische Friede gehören […] wesentlich zusammen“, so schreibt der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding.

Man kann daher mit Fug und Recht sagen: Weihnachten ist das Fest des Friedens. An Weihnachten wird der Friede greifbar.

Handeln im Lichte von Weihnachten

Nun ist Weihnachten kein singuläres Ereignis; im Gegenteil: An Weihnachten nehmen das öffentliche Wirken Jesu, sein Leiden, sein Tod und seine Auferstehung schon ihren Anfang. Thomas Söding schreibt: „Lk 2,14 ist eine Kurzformel des Evangeliums Jesu.“ Am Anfang der Verkündigung dieses Evangeliums steht jedoch der Ruf Jesu in die Umkehr:

„Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“
Mk 1,14–15

Wenn wir ernst nehmen, dass Weihnachten nicht nur ein emotional und romantisch aufgeladenes Fest ist, sondern dass Weihnachten aufs Engste verbunden ist mit der Ankunft des Friedensfürsten, dann kann es doch nicht sein, dass wir schon wenige Tage nach dem Fest unseren Mitmenschen gegenüber (sowohl digital als auch analog!) jeglichen Anstand und Respekt vermissen lassen.

Für Frieden ist – das zeigt der Ruf Jesu in die Umkehr – jede und jeder einzelne von uns verantwortlich. Frieden bedeutet Umkehr. Es mag eine Platitüde sein, aber: Frieden können wir nun erlangen, wenn wir bei uns selbst anfangen.

Wenn wir beherzigen, dass uns an Weihnachten der Friede begegnet, dann sollten wir uns – auch angesichts der Geschehnisse der letzten Tage – fragen: Muss ich wirklich auf Biegen und Brechen mit dem, was ich tue, provozieren? Ist es wirklich nötig, dass ich für mein Anliegen Generationen gegeneinander ausspiele? Muss ich wirklich über jedes Stöckchen springen, das mir hingehalten wird? Muss ich auf Kritik unbedingt sofort antworten – und darauf polemisch und unwirsch reagieren?

Frieden fängt bei uns selbst an. Vielleicht ist das ja ein Vorsatz für 2020.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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