Fronleichnam und die Frage nach „viel Respekt“

20. Juni 2019 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Die Außenwand des „VielRespektZentrums“ in der Essener Innenstadt.

Man stelle sich das folgende Szenario vor: Es findet gerade eine Fronleichnamsprozession mit über 1000 Teilnehmenden statt. Entlang der gesamten Strecke sind Lautsprecher aufgebaut, damit man den Gebeten und Gesängen gut folgen kann. Trotzdem versteht man in einem kurzen Abschnitt fast nichts – weil aus einem Haus über einen (in Straßenrichtung gewendeten) Lautsprecher Musik laut vom Band läuft. Genau das ist heute während der Fronleichnamsprozession in der Essener Innenstadt geschehen.

Rechts am Fenster in der mittleren Etage kann man den Lautsprecher erkennen.

Ort des Geschehens ist das „VielRespektZentrum“ (eigene Bezeichnung), das seit Anfang dieses Jahres seinen Platz im Essener Kreuzeskirchviertel hat, einem Stadtviertel, in dem sich in den letzten Jahren eine alternative Szene etabliert hat. Das Zentrum hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb des Hauses die Pluralität der Gesellschaft abzubilden und dabei – unter der Maßgabe des gegenseitigen Respekts und der Achtung des Gegenübers – ein friedliches Miteinander zu ermöglichen:

„Wir möchten Artikel 3 des GG in einem Haus erfahren und zeigen, dass Vielfalt gelingt, solange wir respektvoll miteinander umgehen.“
Homepage des „VielRespektZentrums“

Art. 3 GG besagt die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, die Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau durch den Staat sowie das Verbot von Benachteiligung und Diskriminierung. Wörtlich heißt es dazu im dritten Absatz:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Art. 3,3 GG

Vor dem Hintergrund der starken Identifikation mit diesem Absatz des Grundgesetzes wundert es, dass gerade aus dem „VielRespektZentrun“ laute Musik auf die Straße schallt und eine religiöse Veranstaltung mutwillig gestört wird (man bedenke dabei auch die in Art. 4 GG garantierte Religionsfreiheit sowie die ungestörte Religionsausübung – auch für das Verständnis von Art. 3 GG ist das ganz wesentlich!), zumal auf der Außenwand des Zentrums auch Portraits religiös bedeutender Personen zu finden sind, z. B. Albert Schweitzer, Martin Luther King oder Mahatma Gandhi.

Klar ist jedenfalls: Wer eine religiöse Veranstaltung aus bloßer Provokationslust stört, oder die Auffassung vertritt, die Achtung des Art. 3 GG sei nur innerhalb des „VielRespektZentrums“ zu erfolgen, der hat die Sache mit dem Respekt noch nicht verstanden.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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