Jahresrückblick 2016. Oder: Was aus den zehn (frommen) Wünschen wurde

31. Dezember 2016 Allgemein, Gesellschaft
von Matija Vudjan
Original-Foto: Cienkamila/Wikimedia Commons; Lizenz: CC BY-SA 3.0
Wir befinden uns auf der Zielgeraden des Jahres 2016, an der Schwelle zu einem neuen Kapitel mit der Überschrift „2017“. Es gilt, noch einmal einen Blick zurück zu werfen auf die vergangenen zwölf Monate. Da ich in diesem Jahr nicht allzu viel gebloggt habe, möchte ich den heutigen Jahresrückblick etwas anders gestalten als in den vergangenen Jahren: Ich beziehe mich auf meinen ersten Beitrag in 2016, in dem ich zehn (fromme) Wünsche für dieses Jahr formuliert habe.


Zur Erinnerung: Ich habe am 1. Januar dieses Jahres anstatt eines Neujahrsgrußes zehn Wünsche formuliert, die sich auf konkrete politische und gesellschaftliche Gegebenheiten bezogen haben. Im Folgenden werde ich alle Wünsche hier noch einmal vorstellen und sie dann kurz aus einer rückblickenden Perspektive kommentieren.

Wunsch 1

„Ich hoffe, dass die Politik – sowohl hierzulande, als auch auf der ganzen Welt – lernen wird, dass Probleme nur dann nachhaltig gelöst werden können, wenn man miteinander spricht und sie gemeinsam angeht.“

Ist mein frommer Wunsch tatsächlich in Erfüllung gegangen? Wenn man bedenkt, wie sich das politische Klima in Deutschland und Europa in diesem Jahr verschärft hat, wenn man bedenkt, wie ‚dreckig‘ der Präsidentschaftswahlkampf in den USA gewesen ist, dann muss man leider konstatieren: Es ist wohl eher das Gegenteil eingetreten…

Wunsch 2

„Ich wünsche mir, dass die vielen Führungskräfte und Menschen in Verantwortungspositionen erkennen werden, dass Führung immer auch einen dienenden Aspekt hat; dass ihr Amt keinen Selbstzweck hat, sondern auf andere Menschen hingeordnet ist.“

Es ist zugegebenermaßen eine sehr subjektive Einschätzung, aber mein Eindruck ist, dass die meisten Politiker – bis auf sehr wenige Ausnahmen – nur noch auf den Profit seiner selbst bzw. der eigenen Partei schauen. Auch wenn sie häufig versuchen, genau das mit den Sorgen der Bevölkerung zu legitimieren.

Wunsch 3

„Ich wünsche mir, dass wir Menschen 2016 einsehen mögen, dass wir auf der Erde nur Gäste sind, und damit beginnen, verantwortungsbewusst mit unserem Planeten umzugehen, wohl wissend, dass nach uns noch viele andere Generationen auf der Erde Gäste sein werden.“

Ein Anfang ist gemacht! Sowohl im großen als auch im kleinen! Das Klimaschutzabkommen von Paris ist tatsächlich von allen wichtigen Ländern der Welt ratifiziert worden. Der Handel in Deutschland verbannt sukzessive Plastiktüten aus den Geschäften. Aber es ist klar: Wir müssen noch einen langen Weg gehen.

Wunsch 4

„Ich hoffe, dass die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, eines Tages den ihnen gebührenden Dank erhalten. Ich wünsche mir, dass sie, obwohl sie oft nur wenig Dankbarkeit erfahren, trotzdem die Kraft haben, auch weiterhin im Ehrenamt tätig zu sein.“

Ob den vielen Ehrenamtlichen in unserer Gesellschaft tatsächlich gebührend und genügend gedankt wird? Das ist natürlich schwer abzuschätzen. Tatsache ist aber, dass sich auch weiterhin sehr viele Menschen in der Flüchtlingshilfe engagieren. Ein gutes Zeichen, und an dieser Stelle dafür ein ausdrückliches „Danke schön“!

Wunsch 5

„Ich wünsche mir, dass sich die verschiedenen Lager in der katholischen Kirche, die sich in der letzten Zeit immer stärker streiten und gegenseitig Vorwürfe erheben, erkennen, dass sie alle Brüder und Schwestern im Glauben sind.“

Die vergangenen zwölf Monate haben zu keiner Linderung geführt; eher das Gegenteil ist der Fall. Man wird den Eindruck nicht los, dass sich die unterschiedlichen kirchlichen Lager inzwischen unversöhnlich gegenüber stehen. Und das ist schändlich, wenn man bedenkt, dass sich die katholische Kirche als eine Kirche der Einheit versteht.

Wunsch 6

„Ich hoffe, dass die Menschen, die in den vergangenen Monaten in Europa und Deutschland Zuflucht gesucht und gefunden haben, möglichst bald wieder zurück in ihre Heimat zurückkehren können, eine Heimat, die nicht mehr von Krieg und Gewalt gebeutelt ist.“

Auch dieser Wunsch war wohl mehr fromm als realistisch. Der Islamische Staat mag inzwischen an Macht und Einfluss zu verlieren; gleichzeitig befinden sich Städte wie Aleppo seit Wochen im Zustand des Endkrieges. Der Nahe Osten bleibt ein Pulverfass. Was auch bleibt, ist die Hoffnung auf baldige Besserung!

Wunsch 7

„Ich wünsche mir, dass die fremdenfeindlichen Politiker, Aktivisten und Demonstranten erkennen, dass Flüchtlinge Menschen sind, die Menschenrechte haben, und dass jeder Mensch eines Tages in eine Notsituation geraten kann, in der er Not leidet und von der Hilfe anderer abhängig wird.“

So emotional aufgeladen wie vor einem Jahr ist die Debatte um die Flüchtlinge nicht mehr, das stimmt. Der Grund dafür scheint mir aber nicht zu sein, dass Argumente gewirkt haben, sondern eher die Tatsache, dass der Flüchtlingszuzug in diesem Jahr massiv begrenzt wurde. Das löst aber nicht das grundsätzliche Problem, dass auch heute noch viele Flüchtlinge in Deutschland mit Anfeindungen leben müssen…

Wunsch 8

„Ich bete dafür, dass terroristische Organisationen wie der IS oder Boko Haram in diesem Jahr einsehen werden, dass Gewalt und Mord niemals mit einem barmherzigen Gott legitimiert werden können und dass sie ihren Gräueltaten, die sie als islamisch bezeichnen, ein Ende setzen werden.“

Ich habe bei Wunsch 6 bereits vom Zurückdrängen des Islamischen Staates geschrieben – selbiges gilt auch für Boko Haram in Nigeria. Leider Gottes hat dies aber nicht zu einem Umdenken geführt. Im Gegenteil: Der ‚Krieg‘ gegen die Ungläubigen hat sich im vergangenen Jahr nach Europa verschoben: Noch nie gab es auf unserem Kontinent so viele terroristische Anschläge wie 2016. Es bleibt zu hoffen, dass mein frommer Wunsch kein utopischer war.

Wunsch 9

„Ich hoffe, dass Menschen 2016 nicht mehr wegen ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer politischen Überzeugung, ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe verfolgt werden und um ihr Leben fürchten müssen.“

Die Zahlen sprechen leider eine eindeutige Sprache: Nie waren so viele Christen wegen ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt wie heute. Grundsätzlich werden heute immer mehr Menschen verfolgt, weil sie glauben; teilweise – ich muss wieder an den IS erinnern – geschieht dies sogar unter Glaubensbrüdern und -schwestern. Auch hier gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt…

Wunsch 10

„Ich hoffe und bete also, dass 2016 ein Jahr des Friedens und der Gewaltlosigkeit, ein Jahr der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe, ein Jahr des Vorausschauens und des nachhaltigen Handelns wird.“

Zum Abschluss ein ganz allgemeiner Wunsch, der dazu einlädt, das ganze Jahr 2016 Revue passieren zu lassen. Auch mit Blick auf die anderen Wünsche, die wir uns soeben noch vergegenwärtigt haben, muss ich feststellen: Ja, es gab 2016 Licht, aber leider gab es eben deutlich mehr Schatten. Insgesamt scheint die Welt in den vergangenen zwölf Monaten eine schlechtere geworden zu sein.

Und doch strahlt Licht immer einen ganz besonderen Glanz aus. Einen Glanz, der imstande ist, den Schatten verschwinden zu lassen – und sei dieser noch so groß. Wenn wir 2016 also zusammenfassen, müssen wir feststellen: Im großen scheint vieles stehen geblieben zu sein; im kleinen hat sich eben doch einiges zum Guten gewendet.

Das kann natürlich ein Ansporn für das bevorstehende Jahr sein: Auf große Änderungen (zum Besseren) wird man womöglich vergeblich hoffen. Aber die Welt im kleinen ein Stück besser machen: das kann man schaffen. Jeden Tag.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen
einen guten Rutsch in das neue Jahr!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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