ANMERKUNG: Ich habe mich bereits zwei Mal – in einem anderen Zusammenhang – zu der Masterarbeit von Anna geäußert. Die Beiträge könnt ihr hier und hier einsehen.
Die Masterarbeit von Anna ist vom „Zentrum für Pastoralforschung“ (ZAP, s. hier) online publiziert worden.
Einführende Bemerkungen
Besitzen (katholische) Blogger ein Missionierungspotential? Ist man als Blogger überhaupt dazu in der Lage, (aktiv) zu missionieren? Zweifelsohne ist das eine sehr interessante Frage, der es lohnt, nachzugehen. Genau das hat meine Kommilitonin Anna Heiliger im Juli vergangenen Jahres im Rahmen ihrer Masterarbeit getan. Die zentralen Aussagen dieser Arbeit möchte ich euch heute präsentieren. Entscheidend ist dabei eine Umfrage, die im Rahmen dieser Masterarbeit im vergangenen Juli bei katholischen Bloggern durchgeführt wurde.
Für diesen Rahmen zwar nicht von besonderer Bedeutung, aber doch erwähnenswert ist, dass die Arbeit in den Punkten Rechtschreibung und Grammatik leider eine große Anzahl an (Flüchtigkeits-) fehlern aufweist, die es deutlich erschweren, dem Text zu folgen. Teilweise werden Sätze angefangen und nicht beendet (vgl. S. 58: „Hier stellt sich die Frage [sic!]“) Auch das Layout des Textes ist keineswegs einheitlich gestaltet, sondern weist an einigen Stellen Ungereimtheiten auf. So wird beispielsweise im Inhaltsverzeichnis die Nummerierung falsch dargestellt (z. B.: 3.4.1. [sic!]); der Texteinzug befindet sich nicht durchgehend an derselben Stelle. Von diesen Aspekten ausgehend, muss man leider feststellen, dass die Arbeit unter dem für eine Masterarbeit zu erwartenden Niveau liegt. Gerade deswegen erscheint es ein wenig verwirrend, wenn man folgenden Satz liest: „Um einer Verfälschung der Ergebnisse vorzubeugen und die Auswertung transparent zu gestalten, werden in diesem Kapitel Antworten der Befragten wortgetreu zitiert. Dabei wurde keine Verbesserung von Tippfehlern vorgenommen.“ (Fn 172, S. 39)
Vorbemerkungen: Über das Web 2.0 und sozialwissenschaftliche Werkzeuge
Eine wissenschaftliche Arbeit, die sich mit katholischen Blogs, also einem doch sehr speziellen Thema innerhalb des großen Themenkomplexes Internet und Web 2.0 beschäftigt, bedarf selbstverständlich einiger Vorbemerkungen und Herleitungen. Auch in Annas Masterarbeit ist dies der Fall. Ohne diese Argumentation vollständig rekapitulieren zu wollen – das würde zum einen den Rahmen dieses Beitrages sprengen und ist zum anderen für diesen Beitrag an einigen Stellen irrelevant –, ist die auf S. 17 dargestellte Erkenntnis, dass „ein klares Netzwerk zum Thema Religion in einer stark in sich geschlossenen Struktur vorliegt.“ Religion ist im Web ein in sich geschlossener, vom Rest abgekoppelter Einzelbereich – ist hier eine Parallele zur gesellschaftlichen Situation erkennbar? Für unsere späteren Überlegungen wird das noch von Bedeutung sein.
Nachdem der Rahmen der Untersuchung dargestellt worden ist, werden insgesamt drei wissenschaftliche „Messinstrumente“ vorgestellt, anhand derer man Menschengruppen klassifizieren kann (vgl. S. 20-30): das Modell der Lebensführungstypologie nach Gunnar Otte, die Sinus-Milieus und sogenannte Internetmilieus nach DIVISI. Diese drei Modelle werden miteinander verglichen und zu einem neuen Modell zusammengefasst, mit dem es möglich sein soll, katholische Blogger zu klassifizieren – konkret geschieht dies durch die Erstellung und Nutzung einer situations- bzw. bedarfsorientierten, d. h. auf die katholische Bloggerszene zugeschnittenen Umfrage. Damit wird bereits an dieser Stelle vorweg genommen, dass es nicht den einen Typus des katholischen Bloggers gibt – auch diese Erkenntnis wird später noch von Bedeutung sein.
Die Bloggerumfrage
Die letztliche Umfrage, die im Juli 2014 durchgeführt worden ist, ist aus den entscheidenden Merkmalen der gerade vorgestellten Messinstrumente abgeleitet worden. Die zu überprüfende Ausgangsvermutung ist dabei die folgende:
„Es stellt sich die Frage, ob es nicht bereits eine Lösung dafür gibt: Sind die katholischen Bloggerinnen und Blogger die postmodernen Missionare unseres Glaubens, die über ihr Medium postmoderne Milieus erreichen?“ (S. 31)
Sodann werden folgende Untersuchungsfragen abgeleitet:
„Kann man die Gestalt der Blogozese genauer bestimmen? Welche Werteorientierungen vertreten die katholischen Gläubigen im Internet? […] Wie ist religiöse Kommunikation von Blogautoren zu verstehen? Birgt Bloggen ein missionarisches Potenzial? Falls dies der Fall ist: Wie ist dieses Potenzial charakterisiert?“ (S. 32)
Um die Ausgangsvermutung sowie die -fragen zu untersuchen, ist der im Zuge der Umfrage eingesetzte Online-Fragebogen in insgesamt drei Teile unterteilt: Durch den ersten Teil der Umfrage werden Informationen über das allgemeine Bloggerprofil sowie sie spezifischen Merkmale der katholischen Bloggerszene generiert; der zweite Teil dient einer Einordnung in die Lebensführungstypologie nach Otte; im dritten Teil werden Aussagen zu den persönlichen Lebensumständen erfragt.
Die Ergebnisse der Umfrage
Es würde den Rahmen dieses Beitrages merklich sprengen, wenn ich in diesem Abschnitt alle Ergebnisse der Umfrage zusammentrüge. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle auf die Ergebnisse konzentrieren, die ich als besonders interessant oder bemerkenswert erachte. Außerdem möchte ich hier die Vorbemerkung treffen, dass zum Zeitpunkt der Studie in der katholischen Bloggerliste (siehe hier) 355 Blogs registriert waren. Davon haben 59 Blogger, also etwa ein Siebtel, teilgenommen (zwangsläufig stellt sich deswegen die Frage, ob die Studie überhaupt als repräsentativ bezeichnet werden kann in dem Sinne, dass die gesamte katholische deutschsprachige Blogszene abgezeichnet worden ist, aber diese Frage soll uns heute nicht beschäftigen.)
Bemerkenswert erscheint so zuallererst die Tatsache, dass die katholischen Blogger eher älter sind: nur die wenigsten befinden sich in der Altersgruppe 20-29, das Durchschnittsalter des katholischen Bloggers beträgt 40,77 Jahre (vgl. S. 36) – hier im Vergleich mit der Gesamtblogosphäre, in der die Blogger nachweislich einer jüngeren Gruppe zuzuordnen sind, also ein signifikanter Unterschied feststellbar. Interessant erscheint ebenfalls die Feststellung, dass der Großteil der Befragten entweder ledig oder verheiratet ist – diese beiden Gruppen machen zwei Drittel aller Befragten aus. Durch die vielen verschiedenen sozio-kulturellen Vorbedingungen der Blogger auch die Zielgruppen der einzelnen Blogs unterschiedliche sind, versteht sich von selbst – auch dies ist durch die Umfrage bestätigt worden (vgl. S. 39-41).
Bereits seit einigen Jahren wird innerhalb der katholischen Bloggerszene der Begriff „Blogozese“ (als digitales Pendant zur Dioezese) gebraucht. In der Umfrage sind die Teilnehmer gefragt worden, wie sie selbst mit dieser Begrifflichkeit umgehen. Anders als viele katholische Blogger bisher angenommen haben, wird der Begriff offenbar kontrovers betrachtet: Etwa zwei Drittel der Befragten sehen den Begriff positiv und können sich mit ihm identifizieren; ein Drittel hingegen sieht den Begriff insgesamt negativ, weil „[sich] damit eine spezifische Gruppe von Bloggerinnen und Bloggern identifiziert“ (S. 44) – damit ist selbstredend der Vorwurf des „Ultrakonservatismus“ gemeint.
Interessant sind die Aussagen der Blogger zum Potential einer blogbasierten Glaubensverkündigung (S. 44f.): Insgesamt sieht eine große Mehrheit der Befragten im Bloggen ein missionarisches Potenzial (wobei man hier unterscheiden muss: Zwei Drittel der Befragten gehen von einem großen Potential aus; etwa ein Drittel erkennt immerhin ein geringes Potential) – nur zwei Umfrageteilnehmer beantworten diese Frage negativ. Folglich sieht eine überwältigende Mehrheit (54 von 59 Befragten) das missionarische Potential von Blog als bisher nicht vollkommen erschöpft an. Es gibt verschiedene Vorschläge, wie das Potential nun besser genutzt werden könnte; einig ist sich aber ein Großteil der Befragten darin, dass sich der Umgang der Blogger untereinander – und damit sind die in der letzten Zeit immer weiter ausufernden „Grabenkämpfe“ zwischen ‚konservativen‘ und ‚liberalen‘ Bloggern gemeint – in Zukunft deutlich verbessert werden sollte (vgl. S. 45). Diese sehr kritische Selbsteinschätzung und -reflexion ist durchaus als erstaunlich einzuschätzen. Konsequent ist dann auch der Wunsch, auf Dauer nicht nur Katholiken anzusprechen, sondern mit den Blogs auch außerkatholische Kreise anzusprechen. Als Bedingung dafür wird aber eine höhere Wertschätzung seitens der Amtskirche sowie eine bessere Vernetzung mit dieser gewünscht.
Die Diskussion der Umfrageergebnisse
Auch wenn man schon zuvor diesen Eindruck hat, wird erst an dieser Stelle der Arbeit eine detailliertere Systematisierung der katholischen Bloggerszene im Allgemeinen sowie der teilnehmenden Blogger im Spezifischen versucht (Anmerkung: Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob eine solche Systematisierung bei insgesamt nur 59 Teilnehmenden als möglich, geschweige denn als sinnvoll bezeichnet werden kann. Ein genaueres Eingehen auf diese Frage würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen; zudem – und das ist sicherlich ein generelles Problem – ist man als Wissenschaftler bei empirischen Umfragen von den Ergebnissen abhängig.). Deutlich werde dabei, dass innerhalb der Blogozese „ein ‚harter Kern‘ durch die Verbreitung von extremen Position“ wirkt (S. 49) – vor allem die starke Geschlossenheit sowie das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Bloggerszene seien ein Abbild dessen.
Deutlich werde überdies, dass die katholische Bloggerszene hinsichtlich ihrer der sozialen Struktur und Ordnung ihrer Mitglieder als äußerst vielfältig bezeichnet werden kann – an dieser Stelle kann man durchaus von einer Parallele zur Gesamtstruktur der katholischen Kirche in Deutschland sprechen. (vgl. S. 52) Deutlich wird bei diesem Ergebnis sodann, dass das zugrunde gelegte Messinstrument, die Sinus-Milieus sowie die Lebensführungstypologie nach Otte nicht dazu geeignet sind, die soziale Struktur der Blogoszese systematisch zu erfassen (damit einher geht dann später auch die Erkenntnis, dass der Fragebogen insgesamt hätte anders konzipiert werden müssen, vgl. S. 54f.): Anders nämlich als es die Messinstrumente voraussagen (würden), hat der größte Teil der Mitglieder der Bloggerszene in der Umfrage angegeben, sich stark im Glauben verortet zu fühlen – davon ausgehend werden allerdings nicht von allen Teilnehmern dieselben ethischen bzw. moralischen Konsequenzen für den persönlichen Alltag gezogen. (vgl. S. 52) (Eine kleine Anmerkung: Meines Erachtens stellt sich zwingend die Frage, ob die soziale Struktur eine Gruppierung oder der gesamten Gesellschaft überhaupt durch Messinstrumente dieser Art erfassbar sind. Das aber ist eine Frage, deren ausführliche Beantwortung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde.).
Zuletzt ist die Erkenntnis bedeutend, dass die meisten Teilnehmer Blogs – nach den Ergebnissen der Umfrage – grundsätzlich ein positives Potential (Für was genau? Das wird an dieser Stelle nicht deutlich!) zusprechen. Dieses Potential – gemeint ist wohl das Potential für die (persönliche) Glaubensverkündigung – werde allerdings, so die Teilnehmer der Studie, nicht genügend ausgereizt, was – so die flächendeckende Meinung der Teilnehmenden – an der mangelhaften Wahrnehmung sowie der teilweisen Ignoranz der Kirche gegenüber der Blogoszese liege. (vgl. S. 53) Zugleich wird im Sinne einer besseren Nutzung des Potentials vorgeschlagen, die katholische Bloggerszene mit anderen Online-Netzwerken zu verknüpfen – und damit gemäß c. 781 CIC/1983 einen aktiven Beitrag zur Mission der Katholischen Kirche zu leisten. (vgl. S. 54)
Zusammenfassung: Was man von der Studie lernen kann
Nun, da ich die zentralen Punkte und Aussagen der Masterarbeit von Anna Heiliger dargestellt und kritisch kommentiert habe, möchte ich noch ein kleines Fazit ziehen, das vor allem auf die Frage ausgerichtet sein soll, was man als („katholischer“) Blogger von der Studie lernen kann. Entscheidend scheint mir in dieser Hinsicht vor allem die Erkenntnis zu sein, dass man – anders, als man (und an dieser Stelle nehme ich mich persönlich nicht heraus) es vermutet hätte –, wenn man über die Blogozese spricht, nicht von einer ‚homogenen Masse‘ ausgehen kann. Vielmehr stellt die katholische Bloggerszene eine Art Spiegel der gesamten Sozial- und Milieustruktur innerhalb der katholischen Kirche dar. Mir erscheint das als eine äußerst wichtige Erkenntnis, gerade angesichts der – durch die Umfrage verdeutlichen – negativen Wahrnehmung der Bloggerszene sowohl von innen als auch von außen: Erkenne ich selbst an, dass der/die andere BloggerIn (trotz einer vollkommen anderen Position) selbst auch aus einer Position des Glaubens (und zwar desselben Glaubens!) spricht, wird es mir deutlich leichter fallen, mit diesem ins Gespräch zu kommen – und damit Streitgeiten zu schlichten. Dass dann die Außenwirkung der Blogozese automatisch zu einer ganz anderen wird, versteht sich von selbst! Insofern verstehe ich die Studie von Anna durchaus als Ermunterung dafür, selbst an einer besseren Kommunikation innerhalb der Blogozese – und damit an einer besseren Wahrnehmung der katholischen Bloggerszene zu arbeiten. Ich werde mich aber noch in den kommenden Tagen ausführlicher zu diesem Aspekt äußern.
Abschließen möchte ich mit einer persönlichen Anmerkung: Der Aufruf zur Umfrage erfolgte im Juli letzten Jahres ausdrücklich an katholische Blogger. Damals habe ich den Online-Fragebogen noch – wie selbstverständlich – ausgefüllt. Inzwischen würde ich dies wohl nicht mehr tun, denn mir ist durch die Umfrage und die mehrfache Beschäftigung klar geworden, dass ich selbst im Grunde kein katholischer Blogger bin, der die katholische Kirche oder die katholische Lehre als sein ‚Hauptthema‘ behandelt. Inzwischen sehe ich mich vielmehr als ein Blogger, der aus einem katholischen Hintergrund und einer katholischen Prägung heraus bloggt. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich möchte an dieser expliziten Stelle keine Kritik an der katholischen Bloggerszene formulieren; mir geht es vielmehr darum, dass die Studie für mich selbst von großer Bedeutung war, und zwar dergestalt, dass sie mir selbst eine ganz neue – und wichtige – Erkenntnis gebracht hat. Deswegen möchte ich mich zum Abschluss ganz herzlich bei Anna für die Durchführung der Studie bedanken!
Viele Blogger (darunter vor allem aktive Mitglieder der Blogozese) haben sich bereits zur Masterarbeit von Anna geäußert – in den meisten Fällen ist dies sogar unmittelbar nach der Veröffentlichung Anfang März geschehen. Ich habe mich absichtlich etwas länger mit einer Stellungnahme zu der Arbeit zurückgehalten. Erstens, weil die Stimmung innerhalb der Blogozese nach der Veröffentlichung der Studie sehr aufgeladen war und ich mich davon nicht beeinflussen lassen wollte und zweitens, weil ich denke, dass eine solche Arbeit es verdient hat, dass man sich etwas ausführlicher mit ihr auseinandersetzt (in nur zwei bzw. drei Tagen kann dies m. E. nicht geschehen!). Deswegen ist mein Bericht auch etwas länger geworden als diejenigen meiner Bloggerkollegen.
Mich interessiert an dieser Stelle natürlich eure Meinung: Was denkt ihr über meinen Bericht? Und was sagt ihr zur Studie von Anna Heiliger? Seht ihr insgesamt einen Nutzen für die katholische Bloggerszene? Ich freue mich auf eure Kommentare und eine spannende Diskussion!