Wenn die Theologie mit Füßen getreten wird

10. Juli 2014 Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Meine Kommilitonin Anna schreibt momentan ihre Masterarbeit im Fach Pastoraltheologie. Dabei untersucht sie die sogenannte „Blogozese“, also Katholische Blogger im Web 2.0 unter wissenschaftlichen Kriterien und versucht, anhand der Forschungsergebnisse theologische Schlüsse für eine bessere kirchliche Pastoral zu entwickeln. Genau dafür wird sie jedoch von einigen Bloggern aus der Blogozese stark kritisiert, ja fast schon diffamiert.

Ein Fragebogen sorgt momentan für viel Unmut.
Symbolfoto: kaiser_t/Flickr; Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

In der Soziologie ist es schon seit längerer Zeit Konsens, dass Religionsgemeinschaften Abbild der gesellschaftlichen Strukturen sind. Konkret auf die Katholische Kirche bezogen bedeutet dies: so wie unsere Gesellschaft plural ist, ist es auch die Kirche. Deutlich wird dies an vielen Gruppierungen und Verbänden in der Kirche: Jugendverbände, Arbeiterverbände, Messdiener und Pfadfinder sind nur einige davon. Und ebenso sind auch Blogger eine ganz bestimmte katholische Gruppierung.

Ganz allgemein hat sich Wissenschaft – unter anderem – zur Aufgabe gesetzt, gegenwärtige Situationen zu untersuchen und zu erforschen. Ziel ist es dann, neue Erkenntnisse zu generieren aus diesen heraus einen Nutzen für die Gesellschaft herzustellen. Dieses „Arbeitscredo“ gilt selbstverständlich auch für die Theologie als wissenschaftliche Disziplin: Sie hat das Recht, ja sogar die Pflicht, ein Medium, das die Botschaft Jesu Christi auf neue Art und Weise verkündet, zu erforschen und daraus theologische Schlüsse (und Konsequenzen) zu ziehen.

Zurück zum Forschungsprojekt von Anna: Dieses wird von einigen Bloggern der Blogozese nicht nur sehr kritisiert, sondern auch entschieden abgelehnt. In einem Blogpost zu dem Thema wird dem Projekt die Wissenschaftlichkeit abgesprochen:

„Liebe Studis, Profs oder wie Ihr Euch auch immer nennen möget: macht, was Ihr wollt, aber lasst bitte diejenigen in Ruhe, die den Absprung ins selbständige und eigenverantwortliche Denken geschafft haben.“[1]

Eine andere Bloggerin geht noch einen Schritt weiter, indem sie die Theologieprofessoren der Katholischen Fakultät als Nichtgläubige bezeichnet:

„Und werte Professoren, die sich solcherlei Unfug ausdenken, ‚einfach selber glauben‘ und nicht die Glaubenden ‚narrisch‘ machen mit wissenschaftlichem Brimborium täte dem Glauben, denke ich, sehr gut.“[2]

In einem Kommentar zu einem (reinen Informations-)post zu dem Projekt wird der Topf auf den Deckel geschlagen: Angesichts der Tatsache, dass im Bistum Essen (in dessen Territorium auch die RUB fällt) in der letzten Woche eine Veranstaltung zum Thema „Extremismus in der Kirche“ gab (bei der es u. a. auch um Katholische Blogs ging), wird das Forschungsprojekt als Teil der Extremismusforschung verunglimpft (übrigens ist dies nachweislich eine Falschbehauptung!):

„Die geschätzten Blogger vom ‚Beiboot Petri‘ haben bereits vor Tagen schon recherchiert, daß dieses Projekt im Rahmen einer Großprojekts ‚Extremismusforschung‘ läuft. Das sagt doch alles. Das ist ja das Lieblings-Totschlagsargument der Linksgrünen, treue Katholiken, die noch auf die Kirche hören, als ‚Extremisten‘ zu verunglimpfen.“[3]

Ich bin ob dieser Worte wirklich schockiert! In diesen Sätzen ist eine Doppelmoral erster Klasse feststellbar: Dem Projekt wird seine Wissenschaftlichkeit, d. h. die Fähigkeit, einen Status quo sachlich und neutral zu untersuchen und auszuwerten, abgeschrieben. Gleichzeitig wird aber weder sachlich noch neutral, sondern nur persönlich diffamierend argumentiert: Wie kann man Menschen, die man noch nie gesehen hat, als Nichtgläubige bezeichnen?!

Für mich wird hier deutlich: Menschen, die sich in solcher Weise zu einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt äußern, fühlen sich von diesem offenkundig bedroht! Ich stelle sogar die These in den Raum: mit den oben genannten Aussagen, die eine wissenschaftliche Untersuchung verunglimpfen – man muss sich ja nur die dahinter stehende persönliche Überzeugung vergegenwärtigen: „Meine Meinung ist die einzig richtige; sie bedarf keiner Untersuchung“ –, offenbart man sich selbst zwangsläufig als Fundamentalist. Und somit als Extremist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Anna in ihrem Forschungsprojekt zu einem ähnlichen Schluss kommen wird. Eines ist jedoch schon jetzt klar: Ein Katholischer Blogger, der solch diffamierende Aussagen trifft, ist alles, aber nicht Katholisch!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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2 Kommentare zu „Wenn die Theologie mit Füßen getreten wird“

  1. Ehrlichgesagt lassen mich diese Zeilen etwas ratlos. Da werfen Sie einfach zuviel durcheinander. Im einzelnen:

    1. Ester vom Beiboot Petri, der Kommentarschreiber beim Kreuzknappen und ich sind drei verschiedene Personen, die verschiedene Anichten vertreten. Wenn Sie im letzten Absatz schreiben, "man" (womit ich gemeint bin) spreche dem Projekt seine Wissenschaftlichkeit ab und gleichzeitig argumentiere "man" (womit der Kreuzknappen-Poster gemeint ist) diffamierend, dann setzen Sie mich mit diesem Kommentator gleich. Das ist böswillig und absurd.

    2. Ich habe nirgendwo dem Projekt Ihrer Freundin die "Wissenschaftlichkeit" abgesprochen, welchselbige mir vollkommen egal ist, weil ich von Wissenschaft sowieso nicht viel halte. Selbständiges und eigenverantwortliches Denken kann im Denkkorsett heutiger akademischer Forschung nicht geschehen. Punkt. Mehr habe ich nicht gesagt. Etwas anderes in mein Zitat hineinzulesen, ist unredlich.

    3. Wenn es in der Soziologie Konsens ist, dass "Religionsgemeinschaften Abbild der gesellschaftlichen Strukturen sind", dann dürfen die Soziologen getrost dieser Meinung sein. Warum Theologen das nachbeten sollen, ist mir nicht klar. Die Kirche ist in erster Linie ein Abbild des Himmlischen Jerusalems. Wenn es zwischen der Kirche und der Gesellschaft Ähnlichkeiten gibt (z.B. in der reichlich trivialen Feststellung, dass es in beiden Entitäten "viele Gruppierungen und Verbände" gäbe), dann deshalb, weil auch in der Gesellschaft noch ein Funke der göttlichen Gnade weiterlebt und sie eben nicht vollkommen verderbt und vom Reich Gottes verschieden ist, wie es die Lutheraner lehren.

    4. Darf ich einfach mal die jeweils letzten Sätze des vorletzten und letzten Absatz nebeneinanderstellen?

    "Wie kann man Menschen, die man noch nie gesehen hat, als Nichtgläubige bezeichnen?!"
    "Ein Katholischer Blogger, der solch diffamierende Aussagen trifft, ist alles, aber nicht Katholisch!"

    Wie nennt man sowas? Kognitive Dissonanz? Blinder Fleck? Doppelmoral?

    5. Auf die zentralen Kritikpunkte meines eigenen Artikels (Paternalismus, Instrumentalisierung) sind Sie gar nicht eingegangen. Wenn wir in eine Diskussion über das Projekt einsteigen wollten, wäre zunächst eine Erwiderung darauf nötig.

  2. Hallo Jorge,

    vielen Dank für deinen sehr detaillierten und äußerst aufschlussreichen Kommentar! Ich danke dir auch dafür, dass du beide „Seiten“, die in diesem Fall betroffen sind, so differenziert betrachtest. Ich stimme dir in deiner Argumentation vollkommen zu, auch in dem Kritikpunkt, den du an mich richtest: Inzwischen habe ich eingesehen, dass meine Aussage – vor allem vor dem Hintergrund dessen, dass ich über Wissenschaftlichkeit geschrieben habe – unpassend ist. Mit etwas Abstand würde ich eine solche Aussage sicherlich auch nicht mehr treffen.

    Liebe Grüße
    Matija

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