Vorweihnachtliche Doppelmoral

21. November 2013 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Vor zwei Wochen habe ich im Karstadt in der Essener Innenstadt ein Lied gehört, das unter anderem folgende Zeile beinhaltet: „Yes, it is christmas time“. Und heutzutage ist es bereits ungewöhnlich, wenn es im Supermarkt oder Discounter Anfang September noch kein Weihnachtsgebäck gibt. Zweifelsfrei: die „Weihnachtszeit“ macht inzwischen ein Viertel des Jahres aus.


Unsere Gesellschaft ist so sehr vom Konsum geprägt und beeinflusst wie nie zuvor. Die meisten großen Weihnachtsmärkte in NRW werden morgen oder übermorgen eröffnet; der letzte Verkaufstag ist der 23. Dezember oder Heiligabend. Kleinere Weihnachtsmärkte laden meistens um das 1. Adventswochenende zu ihren Verkaufsständen ein.

Die Weihnachtszeit hingegen beginnt dann, wenn die Märkte nicht mehr öffnen, bzw. schon komplett abgebaut worden sind: am Weihnachtsfeiertag, also am 25. Dezember. Faktisch dauert die Weihnachtszeit bis zum 2. Februar. Von den sogenannten „Weihnachtsmärkten“ gibt es dann aber schon lange keine Spur mehr.

In den vielen Kaufhäusern, Einkaufszentren und Boutiquen gilt das gleiche: Anfang oder Mitte Oktober werden bereits mehrere Tannenbäume – mit opulentem Ornament – aufgestellt, und aus den Lautsprechern klingt vermeintlich weihnachtliche Musik. Ganz abgesehen davon, dass viele Geschäfte, die sich an jüngere Zielgruppen richten, permanent mit der Xmas-Time werben. Und unmittelbar nach den beiden Weihnachtsfeiertagen ist davon – wie sollte es auch anders sein – nichts mehr zu sehen.

All dies ist Teil einer Entwicklung, die ich hier nicht bewerten möchte (wer meinen Blog schon länger verfolgt, wird meine Meinung dazu ohnehin kennen). Zu dieser Entwicklung gehört auch ein Phänomen, das zu den gerade dargestellten Beispielen einen interessanten Gegensatz darstellt:

Im Sommer war die Aufregung bundesweit riesig, als ein Berliner Bezirksamt beschloss, dass im öffentlichen Raum aus Respekt vor nicht-christlichen Gläubigen nicht mehr Weihnachts-, sondern nur noch Wintermärkte veranstaltet werden dürften. Ähnlich groß war der Protest vor wenigen Tagen, als der Vorsitzende der NRW-Linkspartei die St. Martinsfest in „Sonne, Mond und Sterne-Fest“ umbenennen wollte. Absicht war hier, dass nichtchristliche Kinder das christliche Menschenbild aufgezwungen bekommen.

Wenn solche Debatten geführt werden, geführt werden, lautet das am meisten genannte Argument wohl, dass wir eine kulturelle Identität haben, die uns über mehrere Jahrhunderte hinweg geprägt hat. An nicht- bzw. andersgläubige Mitbürger wird dann in den meisten Fällen der Appell gerichtet, sich an unsere bestehende Kultur anzupassen und diese zu akzeptieren.

Diese Argumentationslinie zeugt von einer groß verbreiteten Doppelmoral in unserer Gesellschaft: Die wenigsten Kindergartenkinder (geschweige denn ihre Eltern) werden wissen, wer der Heilige Martin war und wieso wir am 11. November seinen Festtag begehen. Und der Großteil der deutschen Bevölkerung – ich wage mal zu behaupten, dass es mehr als 70% sind – ist sich darüber sicher nicht im Klaren, dass die „Weihnachtsmärkte“ mit dem Weihnachtsfest im großen und ganzen wenig bis gar nichts zu tun haben.

Meine Meinung ist deswegen: Ja, so groß der Aufschrei auch erklingen mag, aber ist es ist richtig, Weihnachtsmarkt und St. Martins-Umzug in „Wintermarkt“ und „Sonne Mond und Sterne-Umzug“ umzubenennen. Nicht jedoch aus Rücksicht auf anders- und nichtgläubige Mitbürger, sondern einzig und allein, um die Bedeutung und den Sinngehalt der beiden Feste zu bewahren!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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2 Kommentare zu „Vorweihnachtliche Doppelmoral“

  1. Wobei du dann ja denjenigen Unrecht tust, denen wirklich noch etwas an den Feiertagen liegt. Ich glaube, dass man einfach ganz klar abgrenzen muss: (z. B.) Weihnachten wird am 25.12. gefeiert; alles, was vorher auf den „Weihnachtsmärkten“ geschieht, ist nichts weiter als purer Kommerz! In welcher Form das dann geschieht, möchte ich mal offen lassen, wobei ich denke, dass man die Mittel des Internets in dieser Hinsicht noch viel besser nutzen kann.

  2. Du hast vollkommen Recht und vertrittst voll und ganz auch meine Meinung! Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, dass es an der Zeit ist, das Schein-Christentum damit zu schocken, dass alle religiösen Feiertage abgeschafft werden.

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