Shopping als Tourismusquelle – eine Reportage

26. August 2013 Allgemein, Gesellschaft
von Matija Vudjan

Schon in weiter Entfernung wollen große Plakate an der Autobahn Aufsehen erregen. Sobald man von Slowenien kommend in Macelj über die kroatische Grenze fährt, wird man von kernigen Sprüchen wie „Your shopping destination in Croatia“ oder „The best place for EU shopping“ begrüßt. Die Rede ist von – man kann es wohl erahnen – Shoppingcentern.

Eine ländliche Region

Wir befinden uns im Norden Kroatiens. Eine ländliche Region, die geprägt ist von vielen Wäldern, Bergen sowie kleineren Städten. Nördlich der Hauptstadt Zagreb gibt es nur sehr wenig Industrie; der primäre Sektor dominiert die regionale Wirtschaft.

Die Region des Hrvatsko Zagorje (dt. „Kroatisches Hinterbergland“) ist – abgesehen von ein paar kulturellen Sehenswürdigkeiten und den kleinen, malerisch anmutenden Städtchen – nicht dafür bekannt, viele Touristen anzuziehen. Im Gegenteil: die A2, die vom Grenzübergang Macelj nach Zagreb führt und dort einen Anschluss zu den Schnellstraßen in die anderen Regionen Kroatiens herstellt, macht das Zagorje zu einer Transitregion.

Gerade in den warmen Sommermonaten von Juni bis August wird dies immer wieder deutlich, wenn die Autobahnen voll mit ausländischen Fahrzeugen sind, die sich meistens in Richtung Meer drängeln und sich an der abschließenden Maustation in Zaprešić täglich längere Staus bilden. Die Ausfahrten, die in die verschiedenen Ortschaften des Zagorje führen, sind hingegen kaum frequentiert.

Das Modell Shopping als Lösung

Ein Zustand, der lange Bestand hatte. Seit einigen Jahren aber wird versucht, den Transitverkehr in die Region zu führen. Vor einigen Jahren wurden so zwei Shoppingcenter eröffnet: Zum einen die West Gate Shopping City in Zaprešić nahe Zagreb, zum anderen das Roses Designer Outlet im kleinen Ort Sv. Križ Začretje inmitten des Zagorje.

Beide Einkaufszentren versprechen das perfekte Shoppingerlebnis für die gesamte Familie und laden gleichzeitig zum Besuch der umliegenden Region ein. Auf der Website des Roses Designer Outlets heißt es so: „Ein Besuch im Roses Designer Outlet ist die ideale Gelegenheit, ein einmaliges Shoppingerlebnis mit einem Kurzurlaub zu verbinden. Die Region Hrvatsko zagorje bietet hervorragende Erholungsmöglichkeiten nach einem aufregenden Shoppingtag.“[1, Zugriff am 26.08.13]

Das einzige Problem an dieser Einladung: Die Einkaufszentren bleiben leer – und auch die Region verzeichnet keinen Zuwachs an Besuchern.

Ich habe versucht, per Email mit den Presseabteilungen der beiden Shoppingcenter Kontakt aufzunehmen sowie nachzufragen, wie groß die durchschnittlichen Besucherzahlen sind und ob diese die Erwartungen des Managements erfüllen. Bis heute habe ich auf meine Anfragen jedoch keine Antwort erhalten.

Die Realität

Offizielle Zahlen kann ich also leider nicht vorweisen, aber das, was ich in den beiden Shoppingcentern gesehen habe, spricht für sich:


ACHTUNG! Die Bilder sind lizenziert unter der CC BY-NC-ND 4.0-Lizenz!

Wohin man auch schaut: man sieht (fast) niemanden. Die Parkplätze vor dem jeweiligen Einkaufszentrum sind – bis auf wenige, dann meist ausländische Ausnahmen – leer, die Hauptgänge in den Malls sprechen dieselbe Sprache. Betritt man ein Geschäft, wird man sofort von beschäftigungslosen Verkäufern angesprochen, die geradezu nach Arbeit lechzen.

Die einzige Ausnahme stellt in dieser Hinsicht Wochenende, genauer gesagt der Sonntag dar: die Parkplätze sind voll und die Besucher strömen in Massen in die verschiedenen Läden. 

Die Gründe

Hier werden sofort zwei Probleme, oder eher gesagt Ursachen für die gesamte Problematik deutlich: 1. Wenn Geschäfte nur an einem Wochentag viel bzw. genug Umsatz generieren, kann das für die gesamte Wochen unter normalen Umständen überhaupt nicht ausreichen.

2. Wenn man eines der beiden Einkaufszentren betritt, könnte man sich tatsächlich auch in Deutschland wähnen. Die Geschäfte findet man zu 90% auch in Deutschland vor; auch das Preisníveau ist mit dem in Deutschland vergleichbar. Der einzige Unterschied zwischen „deutschem“ und „kroatischem“ Einkaufszentrum liegt tatsächlich außerhalb der Gebäude selbst: nämlich in der Kaufkraft der Menschen.

Ich habe eingangs erwähnt, dass es im Zagorje so gut wie keine Industrie gibt. Dementsprechend gibt es verhältnismäßig auch nur wenige Arbeitsplätze mit entsprechend niedrigen Löhnen gibt. Nördlich von Zagreb beträgt der Durchschnittslohn etwa 4500 HRK. Bei einem stabilen Wechselkurs EUR/HRK von 1/7,50 wird deutlich, dass die Löhne in dieser Region alles andere als üppig sind.

So offenbart sich das gesamte Dilemma der Einkaufszentren und der gesamten Region: Die Touristen kommen meist nur am Wochenende – und sind zugleich nur in der Durchreise. Den Einheimischen hingegen fehlen schlicht und ergreifend die nötigen finanziellen Mittel, um in den Shoppingmalls verkehren zu können.

Das Ende?

Ein Hoffnungsschimmer könnte eigentlich sein, dass die beiden Zentren mit mehr als 400 Läden vielen Menschen Arbeitsplätze bieten. Das Problem ist jedoch, dass die Löhne auch hier nur leicht über Durchschnittsniveau liegen. Es entsteht letztlich ein Teufelskreis: Man erhält durch das Shoppingcenter zwar eine Arbeitsmöglichkeit, aber nicht die nötigen Mittel, um selbst zum Kunden zu werden.

Man könnte die Situation so zusammenfassen: Man hat es bis heute nicht verstanden, dass eine Transitregion nicht durch das Rezept „Shopping“ zum Urlaubsziel wird. Und was noch viel wichtiger ist: Dass ein Einkaufszentrum nur dann prosperieren kann, wenn es möglichst alle ökonomischen Schichten anspricht, also auch und vor allem die Einheimischen.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass für beide Einkaufszentren inzwischen Schließungsgerüchte im Umlauf sind.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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