Die Bundesregierung und insbesondere Bundeskanzlerin Merkel sprachen vor zwei Wochen von einer Zäsur in der Deutschland, als das Moratorium für die sieben ältesten deutschen AKWs beschlossen waren. Nach dem gestrigen Wahlsonntag kann man durchaus von einer Zäsur sprechen – allerdings nicht in der deutschen Energiewirtschaft, sondern viel mehr in der deutschen Politik.
Tatsache ist, dass sich Schwarz-Gelb in den letzten Wochen mit fast jeder Entscheidung blamiert hat. Die Kurswechsel von Union und FDP, die eine maximale Halbwertszeit von einer Woche haben, haben letzten Endes dazu geführt, dass auch der (vermeintlich) letzte Wähler begriffen hat, dass die Regierungskoalition nur aus Lobbypolitikern besteht, die nur das wirtschaftliche Wohl der großen Konzerne im Sinn haben und dabei alles andere (und teilweise auch wichtigere) vergessen. Die Quittung für dieses Wählerverachtende Verhalten ist das Wahlergebnis in Baden-Württemberg.
Auch einen weiteren Punkt kann man sicherlich als Prämisse für das gestrige Wahlergebnis sehen: Ohne die Atomkatastrophe in Japan hätten die Grünen gestern nie ein Ergebnis von 24,2% erreicht. Und man darf auch nicht vergessen, dass der baldige Ministerpräsident Winfried Kretschmann durchaus auch als konservativer CDU-Politiker durchgehen würde – auch das hat gestern für den Wahlausgang sicher ausschlaggebend. Für die Grünen ist dieses Ergebnis die große Chance. Sie können endlich zeigen, dass sie dazu in der Lage sind, realistische Politik zu betreiben; als stärkere der beiden Regierungsparteien liegt auf ihnen ein zusätzlicher Druck. Nichtsdestoweniger glaube ich, dass die Grünen es schaffen werden, eine Realo-Politik zu betreiben, die auch den konservativen Schwaben oder Baden positiv stimmen wird.
Trotz alledem glaube ich auch, dass die Grünen der SPD auf Dauer (sowohl im Bund als auch in den Ländern) nicht gefährlich werden kann. Dafür ist die sozialdemokratische Partei in der breite der politischen Themen doch zu stark aufgestellt (und die Grünen sind immer noch zu sehr auf die Energiepolitik fokussiert). Allerdings muss sich die SPD fragen, warum sie innerhalb von zwei Wochen zwei Mal nur auf Platz drei in der Wählergunst war. Denn sollte sich die Regierung tatsächlich wieder fangen (wozu es m. E. in näherer Zukunft zwar nicht kommen wird), stünden für die SPD wirklich düstere Zeiten an.