Gedanken zur Woche #36

28. September 2014 Ethik, Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan

Der ehemalige Nuntius der Dominikanischen Republik, Józef Wesołowski, ist wegen des Vorwurfs des Kindesmissbrauchs unter Hausarrest gestellt worden – auf ausdrücklichsten Wunsch des Papstes, wie der Vatikan bestätigt hat. So sprachlos ich über die Taten bin, bin ich wirklich froh, dass die vom Papst angekündigte Null-Toleranz-Politik jetzt auch durchgesetzt wird – und nicht vor der „Prominenz“ Halt macht.

Eine weitere Nachricht vom Heiligen Stuhl: Neben Wesołowski hat Franziskus auch Bischof Rogelio Ricardo Livieres Plano aus Paraguay, der bei der Vertuschung des sexuellen Missbrauchs seines Generalvikars behilflich gewesen sein soll, aus seinem Amt enthoben. Auch in diesem Fall kann man nur von einer richtigen Entscheidung sprechen. Und dennoch bleibt die Furcht, dass es sich bei diesen zwei Fällen nicht um Einzelfälle handelt…

Auf den Philippinen werden in diesen Tagen zwei deutsche Geiseln von IS-nahmen Terroristen gefangen gehalten. Die Geiselnehmer fordern von der Bundesregierung ein hohes Lösegeld sowie das sofortige Ende der Waffenlieferungen in den nahen Osten – die Regierung hält jedoch weiterhin an ihrer Strategie fest. Ich habe, um ehrlich zu sein, erhebliche Zweifel, dass das der richtige Weg ist…

Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt: Christliche Arbeitgeber dürfen muslimischen Mitarbeiterinnen verbieten, Kopftuch zu tragen. Juristisch mag das Urteil aufgrund des Staatskirchenvertrages rechtens sein. Trotzdem (oder gerade deswegen) sollte es der Kirche ein Anliegen sein, an dieser Stelle weltoffener zu werden: Christliche Werte werden nämlich nicht durch Kleidung, sondern durch Taten vermittelt und gelebt. Nicht die Hülle ist entscheidend, sondern einzig und allein der Kern!

Anlässlich des in der vergangenen Woche stattgefundenen „Marsches für das Leben“ wurde auf die Katholische Herz-Jesu-Kirche durch eine linksradikale Gruppierung ein vandalistischer Anschlag verübt. Mehrere Fenster und Räume sind zerstört bzw. verwüstet (nähere Informationen dazu u. a. hier). Eine Schande, dass es so etwas noch in einem Staat, in dem Meinungsfreiheit groß geschrieben wird, noch gibt!

Der Ethikrat hat sich in einem in dieser Woche Veröffentlichten Positionspapier dafür stark gemacht, das gegenwärtig bestehende Inzestverbot in Deutschland zu lockern – und ist dafür von vielen Seiten stark kritisiert worden. Richtig so! Wer als ethisches Gremium biologisch argumentiert, hat seine Aufgabe grundlegend verfehlt! Ganz abgesehen davon, dass (wenige) Ausnahmen eine Regel nicht aufheben, sondern sie eher bestätigen.

Nachdem Apple in den vergangenen Tagen viel Häme einstecken musste, gibt es heute noch eine positive Nachricht: Der Konzern hat einen neuen Algorithmus entwickelt, der für jedes iPhone einen individuellen Code generiert, der wiederum dafür sorgt, dass das Smartphone besser gegen Datendiebstahl (z. B. durch die NSA) schützen soll. Ein erster Schritt also in Richtung mehr Datenschutz und Privatsphäre. Gut so!

Gedanken zur Woche #35

21. September 2014 Ethik, Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan

In diesen Tagen wird das Asylgesetz neu geregelt. Unter anderem gelten dann Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsstaaten“, was nichts anderes bedeutet, als dass Asylanträge schnell (und systematisch) abgelehnt werden können. Ich halte das für falsch; jeder Fall muss einzeln untersucht werden!

Papst Franziskus ist heute zu Besuch in Albanien gewesen. Er hat das Land für seinen Einsatz für den interreligiösen Dialog gelobt – und zugleich die terroristischen Machenschaften des IS scharf verurteilt: Niemand dürfe die Religion zum Vorwand dafür nehmen, gegen die Würde des Menschen und seine Grundrechte zu handeln. Gut so!

In dieselbe Kerbe hat der Zentralrat der Muslime in Deutschland vorgestern eingeschlagen, als er – in Verbindung mit dem Freitagsgebet – zu einem überreligiösen, gemeinsamen Friedensgebet eingeladen und sich eindeutig von IS distanziert hat. Auch hier gilt: Gut so! Terrorgemeinschaften wie IS kann am besten Handwerk gelegt werden, wenn ihnen der „eigene“ Boden unter den Füßen weggezogen wird!

Gestern hat Uli Hoeneß offenkundig das erste Mal seit seinem Haftantritt Freigang erhalten und seine Familie besucht. Jetzt ist eine Debatte entstanden, in der wieder offen über einen scheinbaren Promi-Bonus diskutiert wird – dabei ist der gerade vollzogene Schritt nach Ansicht mehrerer Juristen vollkommen normal, da er fester Bestandteil des Resozialisierungsprogramms ist. Mein Appell an alle: Menschen wie Hoeneß dürfen keinen Promi-Malus bekommen! So fair müssen wir als Gesellschaft sein!

In Berlin fand gestern der so genannte „Marsch für das Leben“ statt (Informationen dazu hier). Zeitgleich fanden auch Gegendemonstrationen statt (die man in einem Rechtsstaat – unabhängig von der Sachlage – begrüßen muss), aber vereinzelt kam es wohl auch zu gewalttätigen Übergriffen auf die Demonstranten. So etwas ist nicht hinnehmbar! Ich habe es schon oft gesagt – und kann es nur wiederholen: Wenn wir ein gesellschaftlich fruchtbare Debatte führen wollen, muss das auf einer sachlichen Ebene geschehen!

Gedanken zur Woche #34

14. September 2014 Ethik, Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan

Die Salafisten haben hierzulande in den vergangenen Tagen einen medialen Coup gelandet – nichts anderes ist die „Scharia-Polizei“! Mediale Selbstvermarktung ist tatsächlich ein Bereich, in dem unsere liberale Gesellschaft (oder im Speziellen die Kirche(n) in säkularen Räumen) von Fundamentalisten lernen kann!

Um beim Thema „Islamismus“ zu bleiben: ISIS wurde in dieser Woche in einem Schnellverfahren verboten. Jede Nähe zu der terroristischen Vereinigung wird ab sofort strafrechtlich verfolgt. Ich begrüße diesen Schritt ausdrücklich – und frage mich doch zugleich, warum ein solcher Schritt nicht auch im Hinblick auf die NPD möglich ist…

Oscar Pistorius ist im Mordprozess gegen ihn in der Sache freigesprochen worden. Stattdessen hat ihn die Richterin wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das hat zwar zu vielen Protesten geführt, ist juristisch aber konsequent: Pistorius konnte kein (vorsätzlicher) Mord nachgewiesen werden; und in solchen Fällen heißt es bekanntlich: „In dubio pro reo.“

Diane Foley, die Mutter des von ISIS enthaupteten James Foley, hat der US-Regierung vorgeworfen, ihren Sohn im Stich gelassen zu haben. Auf der Mikroebene hat sie zweifelsohne Recht; auf der Makroebene (d. h. gesamtgesellschaftlich) kann man den Vorwurf – so makaber das aus Foleys Sicht auch sein mag – durchaus relativieren.

Nach James Foley und Steven Sotloff ist jetzt mit David Haines erstmals ein Brite brutal (und medienwirksam) enthauptet worden – er hinterlässt zwei Kinder. Besonders makaber ist in diesem Fall: Haines war Mitglied einer Hilfsorganisation, leistete in der Krisenregion humanitäre Hilfe. Für seinen guten Willen ist er also auf bestialische Weise bestraft worden!

Der Herbst der Landtagswahlen ist mit dem heutigen Sonntag vorbei: Brandenburg und Thüringen haben gewählt – und in beiden Bundesländern liegt die Wahlbeteiligung bei erschreckenden 50%! Es darf nicht mehr (wie heute Abend im ZDF, als die Wahlen mit den letzten Wahlen vor vier Jahren und der parallel stattgefundenen Bundestagswahl verglichen wurden) relativiert werden – stattdessen muss endlich gegengesteuert werden!

Vielleicht habt ihr es bereits mitbekommen: Ich war in dieser Woche – wohlgemerkt in theologischer Mission – in Berlin. Dabei habe ich vor allem eines gelernt: Wenn wir in einer säkularen, liberalen Gesellschaft einen interkulturellen und -religiösen Dialog schaffen wollen, müssen wir bei uns selbst anfangen – und an unsere Grenzen gehen! Ausführlichere Gedanken dazu kommen in den kommenden Tagen!

Gedanken zur Woche #33

7. September 2014 Ethik, Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan

Mit weniger als 50% Wahlbeteiligung ist die Landtagswahl in Sachsen am vergangenen Wochenende aus demokratischer Sicht nichts anderes als eine Schande! Als einzig positiv kann man verzeichnen, dass es die NPD nicht in den Landtag geschafft hat!

Nach James Foley haben die ISIS-Terroristen mit Stephen Sotloff bereits den zweiten US-amerikanischen Journalisten auf bestialische Weise hingerichtet. Angesichts der Tatsache, dass die Terroristen noch weitere Geiseln in Gefangenschaft haben, müssen wir leider Gottes davon ausgehen, dass es noch zu weiteren Hinrichtungen kommen wird…

Aber: Inzwischen gibt es eine erste offizielle muslimische Reaktion auf die Terroristen: sechs renommierte britische Imame haben eine Fatwa (islam. Rechtssprechung) veröffentlicht, in der sie ISIS als nicht mit dem Islam vereinbar geißeln. Und auch die Leiter sechs deutscher Islamzentren verurteilen die Terroristen in scharfer Weise. Ein gutes, ein wichtiges Zeichen!

Mehreren Medienberichten zufolge haben die Vereine der englischen Premier League in der vergangenen Transferperiode mehr als eine Milliarde € (!) für neue Fußballer ausgegeben! Das sind unvorstellbare Summen, wie ich finde – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes!

Die Minister der rot-grünen Landesregierung in NRW verzichten – auf Druck der Oppositionsparteien im Landtag –auf eine ihnen zustehende Gehaltserhöhung von 400€ (bzw. 500€ für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft). Auch wenn dieser Schritt erst nach. Gut so: Wer sparen will (oder wie in diesem Fall muss), soll zuerst bei sich selbst anfangen!

Die EZB hat den Leitzins auf jetzt 0,05% gesenkt – und ihn damit faktisch aufgehoben. Im Hinblick auf das Anlocken neuer Investoren mag das sinnvoll sein; aber was ist mit den unzähligen Sparern, vor allem hier in Deutschland? Im Radio habe ich diese Woche gehört, Herr Draghi sei der Enteigner der deutschen Sparer. Ganz ehrlich: so falsch ist die Aussage inzwischen nicht mehr!

Vor zwei Tagen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, der FAZ ein sehr lesenswertes Interview zu verschiedenen Themen, darunter auch der Diskussion um die Sterbehilfe, gegeben (s. hier). Ich kann seine Argumentation (die sich von meiner durchaus unterscheidet) nachvollziehen – und merke auch, dass „theologisch denkbar“ nicht unbedingt „kirchlich denkbar“ bedeuten muss.

In Wuppertal macht in diesen Tagen eine (nach Selbstbezeichnung) Scharia-Polizei auf sich aufmerksam – und zwar so sehr, dass sich sowohl der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder als auch Bundesinnerminister Thomas des Maizière kritisch dazu äußerten. Viel wichtiger als solche Äußerungen ist m. E. aber eine Aufklärung der gesamten Gesellschaft im Hinblick auf dieses Thema!

Gedanken zur Woche #32

31. August 2014 Ethik, Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan

In den USA hat eine Neunjährige bei einer Schießübung versehentlich ihren Schießtrainer erschossen. Sicherlich ist dies ein schrecklicher Unfall; und doch zeigt er endgültig, wie kaputt das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ist!

Inzwischen sind fast sechs Wochen seit dem Abschuss der MH17 vergangen. Die Absturzstelle sieht immer noch aus wie ein Schlachtfeld (samt noch herumliegenden Trümmerteilen) und der ukrainische Geheimdienst soll wichtige Dokumente beschlagnahmt haben und so die Aufklärungsarbeiten verzögern. Eines muss klar sein: Die Angehörigen der Opfer haben eine lückenlose und transparente Aufklärung verdient!

Grünen-Chef Cem Özdemir hat in diesen Tagen an der „Ice bucket challenge“ teilgenommen – und sich dabei mit einer Hanfpflanze gefilmt. Was er als implizites politisches Statement verkaufen will, ist nichts anderes als eine Straftat! Ich will hoffen, dass die Justiz dies ernst nimmt und in diesem Fall ermittelt – und notfalls auch die Aufhebung der Immunität Özdemirs beantragt!

In seiner Kolumne im „Spiegel“ (siehe hier) hat Jakob Augstein in dieser Woche die Waffenlieferungen der Bundesregierung in den Nahen Osten kritisiert: Handeln und Unterlassen seien keineswegs gleichwertig. Grundsätzlich hat Augstein nicht Unrecht: Feuer kann man i. d. R. nicht mit Feuer bekämpfen. Aber tatenlos dabei zuzusehen, wie immer mehr Menschen auf brutalste Weise hingerichtet werden, kann auch nicht die Lösung sein.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf meinen Kommentar vor drei Wochen verweisen, in dem ich u. a. explizit auf diese Thematik eingehe und sie theologisch aufarbeite: Christentum und Waffengewalt