Thilo Sarrazin (Noch-Mitglied der SPD) war noch nie ein Mann, der sich gescheut hat, seine (recht polarisierende) Meinung öffentlich darzustellen. Dafür wurde er oft genug von Politikern, mitunter auch von eigenen Parteigenossen, scharf kritisiert. Gestört hat ihn dies offensichtlich nicht wirklich, denn erst vor kurzem hat er mit „Deutschland schafft sich ab“ ein Buch veröffentlicht, in dem er das Deutsche Bildungs- und Integrationssystem, aber auch Immigranten an sich scharf kritisiert.
An und für sich ist dies nicht wirklich schlimm, es fördert ganz im Gegenteil sogar eine gesunde Debatte über dieses so wichtige Thema, allerdings hat Herr Sarrazin in seinem Buch einige durchaus als rassistisch aufnehmbare Aussagen, wie z. B., dass die Klugheit bzw. Anpassungsfähigkeit von verschiedenen Menschengruppen (man könnte hier getrost auch das Wort Rassen einfügen) anhand von nur in diesen Gruppen vorkommenden Genen bereits vorbestimmt ist, getätigt. Gerade solche Aussagen sind in Deutschland – hinsichtlich der Deutschen Geschichte – sicherlich unglücklich gewählt, weshalb man die Kritik an Sarrazin durchaus nachvollziehen kann, oder sogar muss. Als Resultat dieser sehr starken Kritik an seiner Person ist Herr Sarrazin bereits aus dem Vorstand der Bundesbank zurückgetreten (was allerdings auch unter starkem Druck des Bundespräsidenten geschehen ist); die Parteispitze der SPD bereitet zudem ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn vor.
Alle diese Vorkommnisse sind schon ein paar Wochen her, sodass wir in den Medien heute kaum noch etwas über Thilo Sarrazin hören. Was von seiner medialen Präsenz allerdings geblieben ist, ist die Integrationsdebatte, die er höchst erfolgreich angestoßen hat. Denn trotz der Tatsache, dass er sich im Buch einige Male mit seinen Formulierungen vergreift, muss man feststellen, dass der frühere Berliner Finanzsenator vielen Menschen in Deutschland (unter ihnen auch viele, die sich politisch konservativ sehen) offensichtlich aus der Seele spricht.
Durch einen einzigen Mann und ein einziges Buch ist also aufgedeckt worden, was Deutsche Politiker seit Jahren zu verschweigen versuchen: dass wir nämlich ein großes Integrationsproblem in Deutschland haben. Umso mehr ist interessant, dass sich plötzlich alle Parteien das Thema Integration groß auf die Stirn schreiben. Denn leider wirkt dies jetzt nur noch wie eine Trotzreaktion auf die Veröffentlichung des Buches von Thilo Sarrazin. Da hilft es auch nicht wirklich, dass Bundeskanzlerin Merkel Sarrazin scharf kritisiert und plötzlich behauptet, ihre Partei würde sich schon seit langer Zeit für eine erfolgreiche Integration von Ausländern einsetzen und dass es seitdem sie regiert schon beachtliche Erfolge gegeben habe. Denn Sarrazin, den die Deutschen momentan offensichtlich für sehr glaubwürdig halten, macht etwas anderes deutlich. Nicht nur unsere Bundeskanzlerin beschäftigt sich mit diesem heiklen Thema.
Auch der Vorsitzende der Schwesterpartei CSU, Horst Seehofer, hat sich erst vor wenigen Tagen zum Thema Integration geäußert, allerdings hat er mit seiner Aussage eine in vollkommen andere Kerbe eingeschnitten als die Bundeskanzlerin, nämlich mehr oder weniger in die von Thilo Sarrazin. Durch seine Aussage, dass man ein Einwanderungsstopp von türkischen Ausländern erzwingen sollte, hat er starke Kritik einstecken müssen. Man muss natürlich bedenken, dass Seehofer diesen Satz nur aus politischen Kalkül gesagt hat, um seine in der letzten Zeit immer weiter nach links abgedriftete Partei nämlich wieder zurück zu ihren konservativen Stammwählern zurückzuführen (wobei sich die Frage stellt, ob eine Aussage wie die von Seehofer wirklich konservativ und nicht doch rassistisch aufnehmbar ist); denn es lässt sich wirklich bezweifeln, ob ein Einwanderungsstopp wirklich der richtige Weg für eine bessere Integration ist.
Bei allem Respekt vor der aktuellen Diskussion scheint sich weit und breit kein Politiker die Frage zu stellen, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, das deutsche Schul- und Bildungssystem so zu verändern, dass wirklich auch jeder einzelne Schwache gefördert werden kann (wovon wir heute im Sozialstaat Deutschland Lichtjahre entfernt sind). Denn ein besseres Bildungssystem würde größtenteils gar nicht erst dafür sorgen, dass so viele unqualifizierte (muslimische) Ausländer in Deutschland leben würden.
Letzten Endes bleibt also die Erkenntnis, dass Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ die stark in Vergessenheit geratene Integrationsdebatte endlich wieder belebt hat. Hätte er sein Buch dabei noch sachlicher und so hyperbolisch geschrieben, so wäre er selbst nicht so schnell in der medialen Versenkung gelandet. Viel mehr hätte er der große „Held“ dieser neuen Debatte werden können. Und auch die SPD, die bald ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin einleiten wird, hätte das Thema Integration zu ihrer neuen Agenda machen können und so beim heutigen, kritischen Wähler sicherlich den einen oder anderen Pluspunkt ergattern können.