Der Ist-Zustand
Wahrscheinlich ist gerade die folgende Aussage das Mantra, das ich hier im Blog – wenn auch in unterschiedlicher Weise – immer wieder wiederhole: Wir leben heute in einer stark säkularisierten Gesellschaft, die sich von der christlichen Religionsausübung (zumindest in ihrer „traditionellen“, institutionalisierten Form) immer weiter entfremdet, gleichzeitig aber religiösen Symbolen und Zeichenhandlungen eine sehr hohe Bedeutung zuspricht. Hierbei handelt es sich um eine Ambivalenz, die mir gerade im Hinblick auf den Advent besonders ins Auge sticht.
Als Beispiel für diese These möchte ich die in unseren Breitengraden in Fülle auftretenden Weichnachtsmärkte heranziehen: Ich habe bei diesen das Gefühl, dass sie in der Breite unserer Gesellschaft als etwas ur-christliches verstanden und wahrgenommen werden. Wenn Veranstalter verpflichtet werden, die Märkte in ‚Wintermärkte‘ umzubenennen (was im vergangenen Jahr nach Berichten mehrerer Zeitungen in Berlin-Kreuzberg geschehen sein soll und sich inzwischen als Ente erwiesen hat (s. hier), was ich aber grundsätzlich begrüße, weil diese Märkte mit der christlichen Botschaft von Weihnachten kaum etwas gemein haben), wird lautstark dagegen protestiert. Gleichzeitig gibt es aber kaum einen Markt, der Weihnachten selbst überdauert – im Gegenteil: die meisten Märkte hatten gestern, also zwei Tage vor dem christlichen Hochfest, ihren letzten Verkaufstag.
Was der Advent eigentlich ist
In einer Zeit also, in der schon am letzten Adventstag Weihnachten gefeiert wird und die ersten Weihnachtsbäume schon am Weihnachtstag selbst auf der Straße liegen, liegt auf der Hand, dass der Advent nicht (mehr) das ist, was er eigentlich sein will. Denn der Advent ist unmittelbar an das Weihnachtsgeschehen gebunden. Schon im Begriff selbst wird dies deutlich: Das lateinische Wort ‚adventus‘, von dem der Advent seinen Namen hat, bedeutet ‚Ankunft‘. Und mit Ankunft ist nichts anderes als die ‚Ankunft des Herrn‘, also die Geburt Christi, das eigentliche Weihnachtsgeschehen, gemeint. Damit ist die Verhältnismäßigkeit schon zu Beginn geklärt: Nicht der Advent steht im Mittelpunkt (so ist es heute aber), sondern das Geschehen der Weihnacht: die Menschwerdung Gottes.
Ausgehend von dieser klaren Verwiesenheit des Advents auf Weihnachten wird auch klar, wie der Advent eigentlich zu verstehen ist: er dient der (geistlichen) Vorbereitung auf Weihnachten. Im Grunde entsteht, wenn man diese Vorstellung ernst nimmt, ein kompletter Antizyklus zur Advents- und Weihnachtszeit, wie sie heute begangen werden: Wer den Advent ernst nimmt, begeht ihn vielleicht viel bewusster, um die das Weihnachtsgeschehen besser zu erfahren. Etwas plakativer ausgedrückt: Wenn für den Großteil unserer Gesellschaft die Weihnachtszeit an Weihnachten endet, fängt sie für diejenigen, die den Advent ernst nehmen, an Weihnachten erst an!
Ein kleiner Ausblick
Was ich gerade in kurzer Form dargestellt habe, ist natürlich eine Entwicklung, die über viele Jahre, ja gar einige Jahrzehnte stattgefunden hat – man kann sie nicht einfach rückgängig machen. Es wäre schlicht illusorisch, wenn ich den Wunsch äußerte, dass es im nächsten Jahr keine Weihnachtsmärkte mehr geben solle. Das möchte ich auch gar nicht, tragen doch auch Weihnachtsmärkte eine soziale Komponente des Weihnachtsgeschehens in sich. Ich denke aber – und das ist mir in diesem Advent deutlich geworden wie schon lange nicht mehr –, dass es nicht schaden kann, sich vor Augen zu führen, dass Weihnachten kein Fest des Kommerzes ist, sondern einen transzendentalen, für die Gesellschaft bedeutenden Inhalt hat, der über Weihnachtsmärkte etc. deutlich hinaus geht. Und ich glaube, dass der („klassische“) Advent eine sehr gute Hilfestellung auf diesem Weg der Erkenntnis sein kann. Deswegen möchte ich euch einladen, den Advent in Zukunft auch ein Stück Weit als Zeit der Besinnung und des Zur-Ruhe-Kommens zu verstehen und zu begehen.