Massenstreik in NRW: Gut so!

18. März 2014 Ethik, Gesellschaft
von Matija Vudjan
Heute steht NRW – sprichwörtlich – still. Die Gewerkschaft ver.di hat insgesamt 45.000 Beschäftigte aus verschiedenen Berufsgruppen zu mehrstündigen oder gar ganztägigen Streiks aufgerufen. Die größte Arbeitsniederlegung in der jüngeren Geschichte des Bundeslandes führt unter anderem dazu, dass (fast) alle Nahverkehrsbetriebe ihren Dienst vollkommen eingestellt haben. Als Nutzer der ÖPNV war ich heute selbst vom Streik betroffen; trotzdem sage ich: So schmerzhaft dieser Schritt auch sein mag, er ist vollkommen konsequent.

Symbolfoto: Markus Dörner/Flickr
Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Das Argument, das man bei einem Streik immer wieder hört, ist: „Am Ende trifft es immer die Falschen.“ Diese Aussage trägt durchaus etwas Wahres in sich: wie viele andere Menschen konnte ich heute morgen nicht mit Bus und Bahn zur Uni fahren, sondern musste auf das Auto ausweichen. Andere haben ihren Arbeitsplatz – wenn überhaupt – wohl auf deutlich kompliziertere Weise erreicht.

Schmerzhaft wird ein solcher Generalstreik vor allem für diejenigen, die ein Taxi nehmen müssen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, oder diejenigen, die wegen der Unerreichbarkeit dessen unbezahlten Urlaub nehmen müssen. Die Frage, ob es gerecht ist, dass eine (tarifliche) Auseinandersetzung, die eine verhältnismäßig kleine Gruppe betrifft, negative Auswirkungen auf einen Großteil der Gesellschaft haben, ist daher vollkommen legitim.

Das Recht des Einzelnen vs. das Recht der Masse

Rein rechtlich ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, den Arbeitgeber bei verspätetem Erscheinen abzumahnen; im Zweifel darf er ihn sogar entlassen. Ein vernünftiger Chef würde wohl nie solch einen Schritt in Erwägung ziehen. Prinzipiell aber besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass in Folge eines Streiks im öffentlichen Nahverkehr – wie es heute geschehen ist – viele Menschen ihre Arbeitsstelle verlieren. Es muss deswegen folgende Frage erlaubt sein: Kann man es überhaupt (ethisch) verantworten, das Recht Einzelner über das Recht Vieler zu stellen?

Ich sage ganz eindeutig: Ja! Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der heutige Generalstreik wurde über mehrere Wochen vorbereitet; die Öffentlichkeit wurde mehrfach über das anstehende Geschehen informiert – der 18. März stand als Termin des Streiks schon lange fest, ebenso wie der nächste Streiktermin am 27. März bereits vor mehreren Tagen verkündet wurde. Ein Streik ist in vielerlei Hinsicht schmerzhaft – das hat man heute deutlich gesehen –, aber man konnte sich lange genug auf diesen Tag und diese Maßnahme vorbereiten.

Das Recht auf gerechte Arbeit

Man muss überdies festhalten, dass ein Streik von solcher Größenordnung nicht grundlos geschieht, Ganz im Gegenteil: bekanntlich ist der Streik oft das letzte Mittel der Gewerkschafter, auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Die konkrete Forderung von ver.di in Bezug auf den Nahverkehr lautet unter anderem: Die Anhebung der Löhne um 100€ plus 3,5%, dazu ein einheitlicher Urlaubsanspruch vom 30 Tagen für alle Beschäftigten (Quelle: verdi.de). Was auf den ersten Blick nach vollkommen überzogenen Forderungen aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen – angesichts von Inflation, steigenden Lebens- und Versorgungeskosten, also deutlich geringeren Reallöhnen – schlicht und ergreifend als Wunsch nach einer minimalen Lohnerhöhung.

Das Recht zu streiken ist in Anlehnung an das Grundgesetz (Art. 9 Abs. 3 GG) in der Bundesrepublik Deutschland ein absolutes Grundrecht, von dem man ausdrücklich Gebrauch machen darf – und in manchen Fällen wohl auch muss. Heute war dies der Fall: gestreikt haben heute hauptsächlich Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Diese werden bezahlt von Land, Städten und Gemeinden; kurz gesagt: vom Steuerzahler.

Ich möchte kurz in Erinnerung rufen: Vor nicht einmal einem Monat hat der Bundestag beschlossen, die Diäten der Bundestagsabgeordneten (die ebenfalls aus Steuermitteln finanziert werden) auf die Höhe des Gehalts eines Bundesrichters zu erhöhen – insgesamt handelt es sich dabei um Mehreinnamen von 830€ für jeden Bundestagsabgeordneten. Ich persönlich habe dagegen nichts einzuwenden: vor Erhöhung stagnierten die Diäten insgesamt sechs Jahre lang; abgesehen davon tragen Polkitiker eine große Verantwortung und sind für das Volk unverzichtbar. Aber: sind Bus- und Straßenbahnfahrer nicht auch unverzichtbar?!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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