Eminenz, das ging zu weit!

30. Januar 2014 Gesellschaft, Theologie
von Matija Vudjan
Kaum eine Woche vergeht, ohne dass es neue, negative Schlagzeilen über die Katholische Kirche gibt. Gestern ist öffentlich geworden, dass der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner in der vergangenen Woche bei einer Tagung der katholischen Bewegung Neokatechumenaler Weg gesagt haben soll, dass ihm eine katholische Familie drei muslimische ersetze.

Meisner steht wieder einmal im Zentrum von Kritik.
Foto: PolskiNiemiec/Wikipedia; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ich will ehrlich sein: ich bin ob dieser Aussagen, als ich gestern das erste Mal davon gelesen habe, ziemlich sprachlos gewesen. Um ehrlich zu sein, bin ich es jetzt immer noch. (Ich habe deswegen zunächst auch überlegt, ob ich zu dem Thema überhaupt etwas schreiben soll. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass man die Worte des Kölner Erzbischofs nicht unkommentiert lassen darf – gerade auch als Katholik.)

Incognito-Rassismus

„Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische.“ Die Aussage dieses Satzes wird nicht auf verdeckte Weise impliziert, sondern ist im Grunde glasklar: Christliche Familien sind mehr wert als muslimische. Ebenso sind dann christliche Menschen mehr wert als muslimische. Diesem Satz nach zu urteilen sind Muslime, wenn überhaupt, nur Menschen zweiter Klasse.

Spitzt man diesen Gedanken zu, dann ist er die Grundlage eines Prozesses, der sich über zwei Jahrtausende entwickelt hat und vor inzwischen 100 Jahren seinen Höhepunkt in der vom Nazi-Regime propagierten Rassentrennung gefunden hat. Ich bin mir sicher, dass Meisner in seiner Aussage keinen latenten Rassismus impliziert. Und dennoch verbildlicht der Satz genau dieses Ressentiment in obskurer Art und Weise.

Biblische und konziliare Ansichten

Es genügt ein kurzer Blick in die Bibel, um zu merken, dass eine Haltung à la Meisner alles andere als christlich ist. „Vor Gott sind alle Menschen gleich“, schreibt Paulus im Römerbrief (Röm 2,11). Dieser Satz ist zunächst bezogen auf die Heilsversprechen Gottes an die Menschen: Alle Menschen werden vom Heil Gottes erfüllt. Aber genauso lässt er sich verstehen als anthropologisches Programm: Vor Gott sind alle Menschen gleich! Jeder Mensch hat die gleiche Würde! Es gibt keine Unterscheidung in Menschen erster und zweiter Klasse!

„Vor Gott sind alle Menschen gleich.“ Für einen Katholiken sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, diesem Satz seine volle Zustimmung zu geben. Tatsächlich hat die Kirche aber lange mit sich selbst gerungen, bis sie selbst zu diesem Verständnis gelangt ist. Bis in die 1950er Jahre hinein wurde das Katholische Glaubensbekenntnis als das einzig wahre verstanden – alle anderen Gläubigen waren nach dieser Ansicht abtrünnig – und Katholiken gegenbüber minderwertig.

Erst das 2. Vatikanische Konzil wurde in dieser (und vielerlei anderer Hinsicht) zur Kehrtwende: Im Konzilsdokument Nostra aetate wurde die Einzelstellung der Katholischen Kirche aufgehoben; nicht-katholische christliche Konfessionen und andere Religionen wurden als mögliche Formen der Glaubensausübung anerkannt. Erst mit Nostra aetate vollzog die Kirche den religiösen Schritt zur Moderne, zum interreligiösen Dialog und damit zur Anerkennung aller Menschen als gleichwertige Wesen.

Was bedeutet all das für Meisner?

Wie eingangs bereits erwähnt, bin ich immer noch sprachlos über die Worte Joachim Meisners. Gerade und insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass sich der Kölner Erzbischof bisher immer als Mann des 2. Vatikanums bezeichnet hat. Wie kann er dann aber solch eine menschenfeindliche Aussage tätigen?

Meisner hat heute verlauten lassen, dass ihm der Wortlaut unglücklich sei. Wo aber bleibt die Bitte um Verzeihung in Richtung der vielen Muslime, die durch die Äußerungen des Kardinals verletzt worden sind? Mal ganz abgesehen davon, dass die Bekundung einer „unglückliche[n] Wortwahl“ die tatsächliche Aussage gar nicht aus dem Raum wirft.

Ich hoffe, dass Joachim Meisner einsieht: Eine solche Formulierung ist schlicht und ergreifend eine Einzelmeinung und hat mit gelebtem Katholischen Glauben nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun. Ich wünsche mir, dass er seine Aussage bereuen und sich öffentlich dafür entschuldigen wird. Solange er das nicht selbst getan hat, möchte ich an seiner Stelle inständig um Entschuldigung bitten!

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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