Gestern hat der G20-Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in St. Petersburg angefangen. Zentrales Thema ist der Bürgerkrieg in Syrien und die Reaktion des Westens darauf.
Die mutmaßliche Giftgasattacke des Assad’schen Regimes gegen sein eigenes Volk ist bekanntlich nur die Spitze des Eisberges – immerhin dauert der Bürgerkrieg jetzt schon mehr als zweieinhalb Jahre. Gerade deshalb ist es enttäuschend, dass der Westen keinen Lösungsansatz für die Krise entwickelt hat. Ethisch gesehen kann es nur einen Weg geben; auf diesen möchte ich im Folgenden eingehen.
Die USA fühlen sich aufgrund ihrer Rolle als Weltmacht Nr. 1 ja scheinbar dazu gezwungen, den Weg der militärischen Intervention zu gehen. In der internationalen Gemeinschaft haben sie mit dieser Position allerdings nur Frankreich auf ihrer Seite. Alle anderen (momentanen) Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, darunter auch Russland und Deutschland, halten einen bewaffneten Angriff für den falschen Weg.
Interessant ist auch, dass sich gestern Papst Franziskus in den Disput eingeschaltet hat: In einem Brief an den Russischen Präsidenten Putin fordert er die internationale Gemeinschaft auf, sich endlich auf einen Lösungsansatz zu einigen. Und was (für die folgende Argumentation) noch wichtiger ist: er verurteilt entschieden jede militärische Form der Intervention.
Ein ethisches Dilemma
Gründe gegen den Militärschlag
In solch einer Dilemmasituation muss man als Theologe bzw. Ethiker erörtern, welchen Weg man im Zweifel ethisch besser verantworten kann. Ich komme dabei – wie auch Papst Franziskus – zu dem Schluss, dass man einen Militärschlag nur kategorisch ablehnen kann. Dafür sehe ich – unter anderem – folgende Gründe:
- Assad versteckt sich schon seit längerer Zeit; es ist eher unwahrscheinlich, dass die US-Geheimdienste herausgefunden haben, wo er sich befindet. Ein gezielter Angriff gegen ihn ist also praktisch unmöglich.
- Assad gilt als unberechenbar. Noch unberechenbarer sind aber seine wenigen verbliebenen Verbündeten, wie z. B. der Iran. Das Mullah-Regime in Teheran hat bereits angekündigt, im Falle eines US-Angriffes selbst zu militärischen Mitteln zu greifen. Ein solches Eingreifen hätte zwangsläufig Konsequenzen für die gesamte Region.
- Bisher hat es die internationale Staatengemeinschaft nicht geschafft, eine gemeinsame Stimme zu finden. Es ist zwar eher unwahrscheinlich, aber wer kann garantieren, dass Assad nicht nachgibt, wenn der UN-Sicherheitsrat einstimmig – also auch mit dem Syrien-Verbündeten Russland – Druck auf den Despoten ausübt?
Der Lösungsansatz: Gemeinsam-einheitlicher Druck
Entscheidend wird in den nächsten Tagen und Wochen sein, dass die internationalen Großmächte ihre Machtspielchen in den Hintergrund räumen sowie einen runden Tisch mit den syrischen Rebellen, mit Israel, mit Vertretern der Arabischen Liga und auch mit dem Iran organisieren, um Konsequenzen für das Handeln des Assad-Regimes zu erörtern. Welche Konsequenzen das sein sollen, kann ich nicht einschätzen; eine solche Entscheidung maße ich mir auch nicht an. Ich weiß aber, dass ein Militärschlag – in welcher Form auch immer – die Situation in Syrien dramatisch verschlimmern wird. Denn: Ein Feuer bekämpft man niemals mit noch mehr Feuer!