Wir leben im Europa des 21. Jahrhunderts: dem Europa, das in vielerlei Hinsicht von Freiheit geprägt ist. Diese Freiheit hat viele Ebenen: von der Freiheit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen europäischen Ländern bis hin zur Meinungsfreiheit des Einzelnen.
Ich möchte heute jedoch auf eine ethische Ebene der Freiheit eingehen, die innerhalb der verschiedenen Freiheitsdimensionen meines Erachtens am höchsten eingeschätzt werden muss: die Dimension der Religionsfreiheit.
Das europäische Volk musste lange für seine Religionsfreiheit kämpfen; als angehender Katholischer Theologe bin ich aber der Meinung, dass es sich gelohnt hat, diesen Kampf zu Ende zu führen. Denn: die Frage nach der Religion bzw. dem Glauben betrifft das Innerste eines jeden Menschen – ganz unabhängig davon, welche „Entscheidung“ ein Mensch trifft, er trägt diese Entscheidung mit jeder Faser seines Körpers. Ich halte es deswegen für ein menschliches Grundrecht, die Frage nach dem eigenen Glauben aus einem freien Gewissen heraus zu treffen.
In letzter Zeit habe ich immer öfters das Gefühl, dass wir uns nicht mehr bewusst sind, welch elemtares Recht die Religionsfreiheit ist. Deutlich wird das vor allem dann, wenn wir die Lage in anderen Ländern betrachten. Der von der DBK und EKD am 1.Juli veröffentlichte „Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit 2013“ zeigt auf, dass die freie Religionsausübung in 157 Ländern der Erde nachweislich eingeschränkt bzw. verboten sei. Christen seien von solchen Restriktionen in 130 Ländern betroffen; Muslime in 117 (Infografik – S. 12). Zum Vergleich: Die Vereinten Nationen zählen 193 Mitgliedsstaaten (Quelle: Wikipedia). In mehr als 81% der Staaten der Erde ist also eine freie Religionsausübung nicht möglich!
Ganz konkret wird die Situation, wenn wir uns die Konflikte im Nahen Osten anschauen. In letzter Zeit sind die Übergriffe auf koptische Christen in Ägypten stark angewachsen; vor allem kleinere Ortsgemeinden in abgelegenen, ländlicheren Regionen sind von den Gewalttaten betroffen. Die größeren Gemeindezentren in Kairo, Alexandria und Assuan sind bisher wohl nur deswegen von der Gewalt verschont geblieben, weil sie durch starke Polizei- und Militärpräsenz geschützt sind.
In Syrien werden Christen von den Rebellen angegriffen und schikaniert, weil sie scheinbar zum Despoten Assad loyal sein sollen. Dass sie sich auf die Seite der Rebellen stellen, ist jedoch an Absurdität nicht zu überbieten: Es ist seitens der Rebellen immer wieder verkündet worden, dass im Falle der Machtübernahme die Scharia eingeführt werden solle; durch diese würden die schon jetzt stattfindenden Restriktionen gegen die Christen sogar legalisiert werden.
Die oben genannten Statistiken sowie die beschriebene Situation im Nahen Osten sind von großer Aktualität. Deswegen möchte ich noch einmal auf die bereits gestellte These zurückkommen, dass wir uns offensichtlich nicht bewusst sind, welch elementares Recht wir mit unserer Religionsfreiheit genießen.
Seien wir doch ehrlich: Wie oft äußern sich Politiker zu der verheerenden Situation der religiösen Minderheiten in diesen Ländern? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass unsere Bundeskanzlerin, die ja auch Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union ist, die Situation in den betroffenen Ländern angeprangert hat. Wie oft hört und liest man in der medialen Berichterstattung etwas von den Gewalttaten gegenüber Christen – oder anderen verfolgten Minderheiten? Es ist mir jedenfalls nicht bekannt, dass ein Chefredakteur einer größeren, einflussreicheren deutschen Zeitung, die Lage der Verfolgten angeprangert habe. Stattdessen habe ich auf der Facebook-Seite der WAZ vorgestern folgendes gelesen:
In dem auf der Facebook-Seite verlinkten Artikel wird erklärt, dass Papst Benedikt gesagt habe, er habe eine mystische Erfahrung mit Gott gehabt und er habe dadurch seine Rücktrittsentscheidung getroffen. Die Quelle der Meldung ist ein anonymer Privataudient – also alles andere als glaubwürdig. Wer sich mit Joseph Ratzinger und seinen theologischen Texten auseinandergesetzt hat, weiß, dass er solch eine Aussage wohl nie formulieren würde. Von einer Redaktion, die sich dem Qualitätsjournalismus verschrieben hat, kann man eigentlich erwarten, dass sie die Meldung als Zeitungsente versteht. Aber weit gefehlt: Über Facebook wird für den Artikel mit folgenden Worten geworben: „Gott wollte das auf WAZ-Anfrage bislang nicht bestätigen.“
Ich wünsche mir wirklich, dass uns bewusst wird, welches Glück wir mit unserer Religionsfreiheit genießen – und nicht, dass wir dies vergessen! Uns sollte bewusst werden, dass wir durch unser Recht auf freie Religionsausübung ein absolutes Privileg genießen, für das uns – da bin ich mir ganz sicher – andere Völker beneiden. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir alle, sowohl Politiker, als auch Journalisten, als auch jeder Einzelne unter uns, mehr Mut und Courage dafür entwickeln, auf die Missstände in den betroffenen Ländern hinzuweisen und diese zu verurteilen! Ich bin mir sicher: Man wird uns dafür danken!