Schlechte Recherche und einseitiger Journalismus in den deutschen Medien

13. November 2012 Gesellschaft
von Matija Vudjan
Aus gegebenem Anlass schreibe ich heute – nach längerer Zeit – einen neuen Artikel hier im Blog. Sicherlich habt ihr in den Medien mitbekommen, dass die katholische Kirchengemeinde in Dortmund einer Familie angeblich verweigert hat, den Grabstein am Grab des verstorbenen Sohnes mit einem Fußball und dem BVB-Logo zu gestalten. Im Laufe des heutiges Tages entwickelte sich in Medien und Internetforen eine negative Berichterstattung gegen die katholische Kirche, die vor allem einseitig geprägt war. Deshalb sehe ich mich gezwungen, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) folgenden offenen Brief zu schreiben:

Leserkommentar zu ihrem Artikel „Drama um das Grab der kleinen Fans“
(vom 13.11.2012)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Heute Morgen durfte ich in der WAZ Ihren Bericht über den Dortmunder Jungen lesen, dessen Eltern einen großen schwarz-weißen Fußball und ein Emblem des BVB als „Grabstein“ aufstellen wollen und die Genehmigung dafür vom zuständigen Pfarrer nicht bekommen haben. Als gläubiger Katholik und Theologiestudent war ich schon nach der ersten Lektüre des Textes stutzig, da ich weiß, dass es von Seiten der katholischen Kirche gegen einen solchen Grabstein – sofern er wenigstens ein kleines christliches Symbol enthält – keine Einwände gibt. Im Gegenteil: Ich kenne mehrere Begräbniszeremonien, die von katholischen Priestern geleitet wurden – und in denen auch außerchristliche „Rituale“ einbezogen werden. Als weiteres Beispiel sei hier der im letzten Jahr eröffnete Schalke-Friedhof in Gelsenkirchen erwähnt, auf dem auch katholische Geistliche die Zeremonie leiten.

Auf dem Weg zur Universität las ich heute Morgen sowohl auf Ihrer Internetseite als auch auf Ihrem Facebook-Kanal eine Großzahl negativer, wenn nicht sogar zutiefst beleidigender Kommentare, die größtenteils gegen die katholische Kirche gerichtet sind. Im Wortlaut möchte ich diese – aus Scham vor einer solchen Wortwahl sowie aus Respekt meiner Kirche gegenüber – hier nicht wiederholen. Der Tenor war jedoch, dass die katholische Kirche keine Legitimation habe und das Bestreben vieler Kommentatoren nach einem Kirchenaustritt (hier hat es mich auch verwundert, dass die äußerst beleidigenden Kommentare von Ihrer Seite nicht moderiert wurden – aber dazu später mehr).

Im Gespräch mit einem Kommilitonen erfuhr ich von einem Online-Artikel in den Ruhrnachrichten (http://www.ruhrnachrichten.de/lokales/dortmund/BVB-Logo-auf-Grabstein-Kirche-strebt-Loesung-an;art930,1822432; letzter Zugriff am 13.10.2012 um 11:36; MV). Die Akzentuierung dieses Artikels ist – anders habe ich es nicht erwartet, um ehrlich zu sein – eine vollkommen andere als in Ihrem Bericht.

Wird im WAZ-Artikel von heute Morgen geschrieben, dass die katholische Kirche sich hinsichtlich des Disputes bisher nicht gesprächsbereit gezeigt habe und auf Anfragen der Redaktion nicht antworte, so heißt es in den Ruhrnachrichten, dass die Kirche grundsätzlich nichts gegen das BVB-Emblem und den Fußball einzuwenden habe – wenn dazu ein christliches Symbol angebracht werde. Außerdem sei sie schon des Öfteren auf die Familie zugegangen. Viel mehr seien es die Eltern, die sich nicht kompromissbereit zeigten und auf der jetzigen Form des Grabsteins bestünden.

Zusätzliche Brisanz erhält die Situation durch eine Information, die ich in der WAZ heute Morgen überhaupt nicht gelesen habe. Vater und Mutter des Kindes sind schon lange keine Kirchenmitglieder. Den Sohn ließen sie auch nicht taufen. Partout scheint die Familie mit der katholischen Kirche also nicht viel zu tun zu haben (weshalb hier die Frage aufkommt, warum der Junge dann nicht auf einem städtischen Friedhof bestattet worden ist – dies ist hier aber nicht mein Anliegen). Dennoch hat die Kirchengemeinde der Familie erlaubt, den Sohn auf dem katholischen Friedhof zu bestatten. Meiner Meinung nach ist dies der richtige Schritt, denn vor Gott sind bekanntlich alle Menschen gleich und eines der dogmatischen Grundprinzipien der katholischen Gotteslehre ist es auch, dass Gott sich mit seiner Liebe allen Menschen zuwendet – also auch denen, die ihm zunächst kein Gehör schenken wollen.

Dennoch hat die Kirche auch das Recht, innerhalb des eigenen Friedhofs Grenzen zu setzen. Wenn die Familie auf einem katholischen Friedhof auf den Grabstein des Sohnes kein einziges christliches Symbol legen möchte, hat die katholische Kirche das Recht, dagegen „Einspruch“ einzulegen und konstruktive Kritik auszuüben (wie es in diesem Fall laut Ruhrnachrichten tatsächlich geschehen ist).

Verehrte Damen und Herren, ich habe schon mehrere Veranstaltungen von und mit Herrn Reitz, dem Chefredakteur Ihrer Zeitung, besucht. Dort habe ich immer wieder gehört, dass die WAZ Qualitätsjournalismus betreibe. Mit Verlaub: Der Artikel, der heute früh in der Zeitung erschienen ist, erfüllt einen solchen Anspruch nicht einmal ansatzweise! Wer zu einem so brisanten Thema nicht genügend recherchiert und einen Artikel veröffentlicht, der das zentrale Detail vermissen lässt, betreibt keinen Qualitätsjournalismus, sondern in höchstem Grade Populismus und Volksverhetzung! Es kann doch nicht sein, dass wegen eines Artikels, der nur die halbe Wahrheit beinhaltet, ein Shitstorm ausbricht, der es nur zum Ziel hat, die Kirche – und auch diejenigen, die diese in den Kommentaren verteidigt haben – zu diffamieren. Noch weniger kann es sein, dass diese Kommentare, die nichts anderes als persönlich verletzend sind, von den Moderatoren auf Ihrer Homepage und bei Facebook überhaupt nicht gelöscht werden. Gerade in Zeiten, in denen der Hass und die Respektlosigkeit allen Religionen gegenüber immer größer wird, sollte es doch möglich sein, durch eine sorgfältige Recherche nicht unnötig Öl ins Feuer zu gießen.

In der Hoffnung und dem Wunsch, Ihnen mit diesem Schreiben eine Anregung für zukünftige Artikel gegeben zu haben, verbleibe ich

Mit Grüßen.
Matija Vudjan

PS: Ich behalte es mir vor, dieses Schreiben als öffentlichen Brief zu behandeln und werde es deshalb auch auf meinem Blog unter www.modgar-bloggt.de sowie meiner Facebook-Seite veröffentlichen.

Da ich im Laufe  des heutigen Tages auch von anderen Medien solche einseitige Berichterstattungen erfahren musste, werde ich diesen offenen Brief auch an diese Redaktionen schicken.

Nachtrag, 14.11.2012:
Ich habe mich, nachdem ich eine Nacht über die ganze Geschichte geschlafen habe, dazu entschlossen, es bei der einen Beschwerde an die WAZ zu belassen. Die Fokussierung auf nur einen „Gegner“ macht, glaube ich, mehr Sinn. Allerdings habe ich mich auch entschlossen, eine Beschwerde an den deutschen Presserat zu schicken. So wird die ganze Beschwerde immerhin offiziell und die WAZ muss sich auf jeden Fall zu dem Artikel äußern.

Dieser Beitrag stammt von: Matija Vudjan

Student der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Autor des Blogs durchgedacht.
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Ein Kommentar zu „Schlechte Recherche und einseitiger Journalismus in den deutschen Medien“

  1. Ich finde den Brief Klasse…bin zwar nicht "streng" Katholisch und habe ..obwohl ich getauft bin..nicht viel mit der Kirche zu tun …aber ich denke wenn man sich auf einem christlichen Friedhof beerdigen lässt man sich auch an deren "Regeln und Gebote" halten sollte …Aber dies hätte ja auch nicht für so viel aufsehen gesorgt….

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